Singer: „Ich bin ein Unverdorbener“

Thomas Singer
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Kollegialität und eine Neuordnung der Anwaltsprüfung sind Thomas Singer ein Anliegen. Die Kammer kennt er nur als Nutzer und hat damit, so sagt er, den Blick von außen.

Die Presse: Sie haben sich zur Überraschung vieler um das Präsidentenamt der Rechtsanwaltskammer (RAK) Wien beworben und sind nicht gerade als Favorit ins Rennen gegangen.

Thomas Singer: Die Favoritenrolle am Anfang ist nie entscheidend, weil im Laufe eines Wahlkampfes sich soviel verändern kann. Auch in diesem ist Unerwartetes passiert.

Vizepräsident Stefan Prochaska hat seine Kandidatur vor wenigen Wochen zurückgezogen.

Nach seinem Rücktritt gibt es eine 50:50-Chance. Aber für mich ist der Wahlkampf dadurch nicht leichter geworden. Ich wollte einen kurzen, prägnanten Wahlkampf führen, nach dem Motto: come and cash. Die Chance, von einem Streit der beiden anderen Kandidaten zu profitieren, ist jetzt weggefallen.

Sie sind Partner einer Kleinkanzlei. Was darf man sich von einem Präsidenten Singer erwarten?

Ich will ein Präsident für alle sein. Denn große wie kleine Kanzleien, alle haben dieselben Sorgen. Beide leiden unter der Kostenexplosion und darunter, dass der Anwaltstarif seit sieben Jahren nicht mehr angepasst worden ist. Das heißt: Wir haben seit sieben Jahren einen Lohnverlust von einem Drittel, wenn man es mit Zinseszinsen rechnet. Gleichzeitig sind die Kosten um 20 Prozent gestiegen. Boshaft gesagt: Wir arbeiten nur mehr um das halbe Geld. Für die kleinen Kanzleien ist das noch schlimmer, die Existenzängste junger Einzelkämpfer sind extrem.

Wollen Sie in der Kammer etwas verändern?

Ich möchte niemanden anpatzen oder jemandem sagen, er hätte etwas schlecht gemacht. Denn ob Präsidium oder Ausschuss, alle Mitglieder dort arbeiten freiwillig und gratis.

Dass Funktionäre gratis tätig sind, kann kein Freibrief dafür sein, nicht gut zu arbeiten. Zumal sie sich freiwillig dafür entscheiden. Und was hat eine kritische Analyse mit Anpatzen zu tun?

Natürlich muss man sich die Schwächen der Strukturen ansehen und dann reagieren. Aber angesagte Revolutionen finden nicht statt. Mein Stil ist es nicht, schon vorher zu kritisieren. Ich selbst war in der Kammer nie tätig, ich kenne sie nur als Nutzer. Da kann ich nur sagen: Immer, wenn ich etwas von der Kammer gebraucht habe, habe ich es auch bekommen.

Worin unterscheiden Sie sich von Ihrem Mitbewerber Michael Enzinger?

Ich bin nicht wie er im Kammersystem groß geworden und habe daher den Blick fürs Wesentliche behalten. Ich bin ein Unverdorbener. Hinter mir steht auch keine Wahlplattform, ich gehöre nicht der Sobranje an und bin auch nicht vom Juristenverband aufgestellt worden. Ich habe mich einfach mit genügend Unterstützungserkärungen von Anwälten aufgestellt. Damit wollte ich auch zeigen, dass es anders geht und jeder die Demokratie selbst in die Hand nehmen kann.

Was ist Ihnen noch wichtig?

Kollegialität. Wir Anwälte müssen wieder lernen zusammenzuhalten, wir müssen in unserem gemeinsamen Kammerleben wieder eine Aufbruchstimmung schaffen. Derzeit herrscht daran wenig Interesse, weil man sich dort gegenseitig immer ein bisschen das Haxel stellt. Das darf nicht sein, auch wenn der wirtschaftliche Druck groß ist.

Das klingt ja gut, aber Kollegialität lässt sich nicht erzwingen.

Die Anwälte können und sollten sich wieder in ihren Clubs regelmäßig treffen und austauschen. Man erfährt ja dort auch viel. Kollegialität zeigt sich auch daran, dass man zur Plenarversammlung geht und an der Wahl teilnimmt.

Sie setzen sich auch für eine Veränderung bei der Anwaltsprüfung ein?

Ja, am Ende der Konzipientenzeit gibt es eine immens schwere Prüfung, die nicht mehr zeitgemäß ist. Man müsste die Prüfung aufteilen und auf die Tätigkeit des Anwalts ausrichten. Auch dieses krampfhafte Festhalten an der Anwaltsakademie! Sie ist sicher keine schlechte Erfindung, ohne Nachhilfe schaffen die Prüflinge die Prüfung jedoch nicht.

Zum Thema Transparenz: Zu viel Kritik hat das Verhalten der Kammer in der Causa Mathes geführt. Wie hätten Sie agiert?

Ich hätte die Sache sofort zur Chefsache erklärt, niemand außer dem Präsidenten hätte dazu ein Statement abgegeben dürfen. Ich hätte auch sicher dazu etwas gesagt, Schnellschuss hätte es aber von mir keinen gegeben. Ich habe gehört, dass die Kammer keinen Fehler gemacht haben soll. Ich kann das nicht nachweisen. Vielleicht hätte man schon intensiver nachforschen und mehr Engagement zeigen können. Man erfährt ja im Nachhinein so vieles, auch, dass er sich bei vielen Geld ausgeborgt hat.

Etwa bei dem Präsidenten des Juristenverbandes Fritz Wennig. Von ihm hat er sich schon 2009 200.000 Euro ausgeborgt.

Das weiß ich auch. Das ist ärgerlich, denn es ist ja ein Unterschied, ob sich jemand 100 Euro oder solche Mengen an Geld ausborgt. Wenn ein respektabler Anwalt zu mir kommt und soviel Geld haben will, kann es doch nicht sein, dass ich nicht frage, wofür brauchst du das? Da müssen doch die Alarmglocken läuten. Bei mir wäre Mathes auf jeden Fall auf die Seife gestiegen.

Müsste man dann nicht die Sorgfaltspflichten der Kammer höher ansetzen, damit so eine Katastrophe nicht wieder passiert?

Das ist ein juristisches Problem. Würde man in eine materielle Prüfung bei einer Kanzleiüberprüfung hineinkommen, müssten die Kammer und alle anderen Anwälte für die Betrügereien eines Kollegen einstehen. Die Kammer will sich keiner Haftung aussetzen. Aber man muss auch sagen, kriminelle Energie werde ich mit keinem System der Welt verhindern können.

ZUR PERSON

Thomas Singer, geboren am 9. 5. 1971, ist Partner bei Singer-Musil Singer Rechtsanwälte. Politische Erfahrung bringt er aus seiner Tätigkeit als Gemeinderat in Gars am Kamp mit – allerdings nicht aus der Standesvertretung. Erfahrung mit dieser hat er, wie er selbst sagt, bisher nur als Nutzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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