TTIP: „USA und Europa lassen sich keine Standards vorschreiben“

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Alexa Wesner, US-Botschafterin in Österreich, sieht TTIP als integralen Bestandteil der transatlantischen Sicherheitsarchitektur. Der Bundesregierung und der EU-Kommission rät die Diplomatin zu mehr Informationsarbeit.

Brüssel. Aus der Perspektive der EU-Kommission handelt es sich bei den Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP in erster Linie um ein technisches Unterfangen, an dessen Ende Zuwächse beim ökonomischen Output Europas stehen sollen. Gegner des Pakts zwischen der EU und den USA sehen darin ein trojanisches Pferd, dessen Zweck die Aushöhlung und Abschaffung der (vermeintlich höheren) europäischen sozialen und sanitären Standards ist. Alexa Wesner, Botschafterin der Vereinigten Staaten in Österreich, erweitert die Debatte um TTIP um eine geopolitische Dimension: „Unsere gemeinsame Sicherheit beruht auf Freihandel“, sagte die Diplomatin am gestrigen Mittwoch anlässlich eines Arbeitsbesuchs in Brüssel im Gespräch mit der „Presse“. Das Abkommen sei somit auch ein unmissverständliches Signal an alle Drittstaaten, dass Europa und die USA auch in Zukunft „globale Standards setzen werden und sich keine Standards vorschreiben lassen“. Angesichts der aktuellen Bedrohungslage – Stichwort Ukraine und Nahost – müsse gewährleistet werden, dass punkto Wirtschaft und Sicherheit auf beiden Seiten des Atlantiks das Verbindende vor dem Trennenden stehe – „und TTIP dient genau diesem Zweck“.

Die ehemalige Triathletin aus der US-Hauptstadt Washington, die seit Herbst 2013 die diplomatische Vertretung der USA in Wien leitet, hat diesbezüglich keinen leichten Stand, denn neben Deutschland und Luxemburg zählt Österreich zu den EU-Mitgliedern mit dem höchsten Anteil der Freihandelsgegner an der Gesamtbevölkerung – ein Umstand, zu dem neben Aktivitäten der Nichtregierungsorganisationen auch die Anti-TTIP-Kampagne der „Kronen Zeitung“ einen Beitrag geleistet haben dürfte. Wesner, die der Angelegenheit einen positiven Spin zu verpassen versucht, führt die österreichische Ablehnung auf Ängste zurück – „und diese Ängste werden durch Nichtwissen verursacht“. Folglich müssten Bundesregierung und EU-Kommission mehr dafür tun, um die Skeptiker davon zu überzeugen, dass von TTIP keine Bedrohung ausgehe. Sie selbst sei „von Graz bis Zell am See“ unterwegs, um für das Abkommen die Werbetrommel zu rühren.

Ob Information allein ausreichen wird, ist allerdings fraglich, wie Erfahrungen aus Brüssel demonstrieren. Nachdem die Kommission für ihre Verschwiegenheit massiv kritisiert wurde, machte die für die TTIP-Verhandlungen zuständige Kommissarin, Cecilia Malmström, Anfang Jänner einen Teil der EU-Unterlagen online zugänglich – mit der Konsequenz, dass auf die Dokumente seither lediglich rund 3000-mal zugegriffen wurde.

Investorenschutz obligatorisch

Ein Stein des Anstoßes sind sogenannte Investorenschutzklauseln (ISDS), die – so die Kritik – Konzernen die Möglichkeit geben, unliebsame Gesetzesinitiativen vor einem internationalen Schiedsgericht anzufechten. Von einer Streichung des Investorenschutzes aus dem TTIP-Vertrag hält die US-Diplomatin wenig – mit dem Hinweis auf die Vorbildwirkung für Drittstaaten sowie auf die Tatsache, dass allein Österreich in 63 bilateralen Handelsabkommen Schutzklauseln inkludiert habe. Eine Modifizierung der ISDS-Regeln hält Wesner durchaus für möglich – „wir alle sind der Ansicht, dass der Investorenschutz in einer neutralen, internationalen Art und Weise an die Gegenwart angepasst werden kann“. Nun liege es allerdings an der Brüsseler Behörde, ihre Reformvorschläge zu unterbreiten. Kommissarin Malmström will ihre Überlegungen zu ISDS Anfang Mai vorstellen. (la)

ZUR PERSON

Alexa Wesner ist seit Herbst 2013 Botschafterin der USA in Österreich. Sie stammt aus einer deutsch-lettischen Familie und studierte Biologie an der Stanford University. Während des Dotcom-Booms Ende der 1990er-Jahre gründete sie zwei Unternehmen. Die ehemalige Triathletin ist mit einem Venture-Investor verheiratet und Mutter dreier Kinder. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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