"Schadet Tourismus": Italienische Ferienorte gegen Migranten

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Italien sucht nach etwa 5000 Unterkünfte pro Woche für neue Flüchtlinge. Vor allem Urlaubsorte zeigen wenig Bereitschaft, solche bereitzustellen.

Die Regierung in Rom steht wegen der massiven Flüchtlingswelle aus Libyen unter Druck. Innenminister Angelino Alfano hat die Lokalverwaltungen aufgerufen, tausende Unterkünfte für Migranten aufzutreiben, doch Regionen und Gemeinden zeigen wenig Kooperationsbereitschaft. Vor allem Urlaubsorte wollen keine Flüchtlinge aufnehmen. Sie befürchten Imageschäden für den Tourismus.

35 Euro pro Tag zahlt der italienische Staat für jeden Flüchtling, der in Hotels, Pensionen, oder Privatwohnungen untergebracht wird. Doch das Angebot der Regierung scheidet die Geister im Touristenland Italien. "Flüchtlinge in Hotels halten Touristen fern und schaden dem Ansehen unserer Ortschaften", klagten Hoteliers in der renommierten lombardischen Alpengemeinde Bormio, die zuletzt mit Rückgängen bei den Touristenankünften konfrontiert waren.

Luca Zaia, Präsident des Veneto, der Region mit den meisten Touristen Italiens, will von Flüchtlingen in Urlaubsorten nichts wissen. "Kurz vor der Sommersaison bedeuten massive Flüchtlingsankünfte in den Ferienorten schwere Schäden für den Tourismus. Kein Flüchtling soll in Urlaubsorten untergebracht werden. Die Konkurrenz ist für unseren Fremdverkehr hart genug", betonte der Lega Nord-Vertreter Zaia. Nach Jahren der Konsumkrise und der rückgängigen Touristenzahlen könne sich der Tourismus in der Region keine weiteren Belastungen erlauben.

200.000 Flüchtlinge sollen 2015 Süditalien erreichen

Circa 70.000 Migranten sind zurzeit in Italien untergebracht, im vergangenen Jahr waren 170.000 Flüchtlinge eingetroffen. Bis Ende dieses Jahres rechnet die Regierung damit, dass insgesamt 200.000 Flüchtlinge Süditalien erreichen werden. Die Regierung Renzi kämpft gegen die Zeit. Sie sucht nach Wegen, um wöchentlich bis zu 5000 neue Migranten unterzubringen. Schulen, Kasernen und Turnhallen sollen als Unterkünfte dienen.

Innenminister Alfano arbeitet mit dem italienischen Gemeindeverband ANCI an einem Plan, um die Flüchtlinge auf mehrere Regionen Italiens zu verteilen, da die Auffanglager auf Sizilien längst heillos überfüllt sind. Jede italienische Region müsse einen Beitrag im Umgang mit dem Flüchtlingsnotstand leisten, lautet die Devise der Regierung von Premier Matteo Renzi. ANCI-Präsident Piero Fassino meinte, demnächst sollten circa 40.000 neue Unterkünfte aufgetrieben werden.

Zugleich macht die Regierung in Rom Druck auf die EU-Partner, damit die Lasten der Flüchtlingsversorgung gerechter verteilt werden. Die EU gebe lediglich drei Millionen Euro im Monat für die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer aus. Die Erstversorgung der Flüchtlinge, die in Süditalien eintreffen laste ganz auf Italien.

EU: Keine Vereinbarung zu erwarten

Die EU-Kommission hat jedenfalls klar gemacht, dass vom EU-Sondergipfel am Donnerstag zur Flüchtlingsproblematik im Mittelmeer keine Vereinbarung über Aufnahmezentren in Afrika zu erwarten ist. Diese Idee sei "noch in Diskussion", sagte eine Sprecherin der EU-Behörde am Donnerstag in Brüssel. Eine Hauptdiskussion beim EU-Gipfel wird die Frage sein, in wie weit die Seenotrettung im Rahmen der "Frontex"-Grenzschutzmission "Triton" gestärkt wird. Die Seenotrettung ist nicht explizit eine Aufgabe dieser EU-Mission. 

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