Der deutsche Bundespräsident erinnert bei einem Gedenkgottesdienst an die deutsche Mitverantwortung der Gräueltaten von vor 100 Jahren.
Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als "Völkermord" bezeichnet und eine Mitverantwortung Deutschlands eingeräumt.
"Das Schicksal der Armenier steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist", sagte Gauck am Donnerstag laut vorab veröffentlichtem Redetext bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst im Berliner Dom.
Bundestag berät noch über Formulierung
Der Satz Gaucks entspricht nahezu wortgleich der Formulierung in einem Gedenktext der Regierungsfraktionen von Christdemokraten und Sozialdemokraten, über den an diesem Freitag im Bundestag beraten werden soll.
Im Zusammenhang mit der deutschen Mitverantwortung für das damalige Geschehen sprach Gauck auch direkt von Völkermord: Die Deutschen müssten sich "der Aufarbeitung stellen, wenn es nämlich um eine Mitverantwortung, unter Umständen sogar Mitschuld, am Völkermord an den Armeniern geht". Oppositionspolitiker hatten kritisiert, dass die Regierungsfraktionen das Wort Völkermord nur indirekt verwenden.
Weiter sprach Gauck in seiner Rede von einer "genozidalen Dynamik, der das armenische Volk zum Opfer fiel", und von "geplanten und systematischen Mordaktionen".
Auch Kirchenvertreter sprechen von Genozid
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sprach in dem Gottesdienst laut Redetext ebenfalls eindeutig von "Völkermord" an Armeniern, Aramäern und Pontos-Griechen. Auch Bedford-Strohm kritisierte zudem das damalige "moralische Versagen" Deutschlands und zog eine Verbindung zum späteren Holocaust an den Juden.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, äußerte sich bei der Einstufung der Vertreibung und Vernichtung der Armenier etwas zurückhaltender, sprach aber auch vom "Genozid der Jahre 1915 bis 1918". Die Nachkommen der Täter müssten "der historischen Schuld der eigenen Nation ins Auge blicken", den Nachkommen der Opfer riet er zur "Bereitschaft zur Aussöhnung". Marx erwähnte in seiner Predigt auch heutige Verfolgungen von Christen durch die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS).
(APA/dpa/AFP)