Otto Schulmeister: In den Akten der CIA

Otto Schulmeister
Otto Schulmeister(c) APA (Heinz Tesarek)
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Der einstige Chefredakteur und Herausgeber der "Presse", Otto Schulmeister, soll mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammengearbeitet haben, meldet "profil" unter Berufung auf ein CIA-Dossier.

Enthüllungen über die Geheimdienstkontakte Prominenter verkaufen sich offenbar gut. So gut, dass das Nachrichtenmagazin „profil“ nach zwei Coverstorys über die Verbindungen des verstorbenen früheren Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk zum tschechoslowakischen Geheimdienst am Montag wieder mit einer Geschichte aus der Schattenwelt der Nachrichtendienste aufmacht. Dieses Mal geht es nicht um einen kommunistischen Geheimdienst, sondern um die Central Intelligence Agency (CIA), den amerikanischen Auslandsnachrichtendienst; dieses Mal geht es auch nicht um einen früheren Politiker, sondern um einen verstorbenen Journalisten; und dieses Mal geht es weniger um das Weitergeben vertraulicher Informationen, sondern um Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Österreich.

Otto Schulmeister, Chefredakteur der „Presse“ von 1961 bis 1976, habe in den 1960er-Jahren der CIA zugearbeitet, seine Leitartikel fallweise argumentativ nach den Wünschen der US-Geheimdienstler ausgerichtet, Geschichten unterdrückt, wenn sie dem amerikanischen Standpunkt geschadet hätten. Zudem habe Schulmeister Informationen aus Hintergrundgesprächen mit österreichischen Politikern und Botschaftern aus Ostblockstaaten an seine CIA-Kontaktleute weitergegeben. Als Quelle nennt „profil“ ein 92-seitiges CIA-Dossier, das bereits vor drei Jahren nach den Bestimmungen des „Nazi War Crimes Disclosure Act“ freigegeben worden war. Dort wird er ausdrücklich nicht als „Agent“ bezeichnet, sondern als einer, den man so führen könne. Entdeckt hat das Dossier der Grazer Zeitgeschichte-Professor Siegfried Beer, Österreichs führender Geheimdienstforscher. Dessen Kollege Professor Stefan Karner sagt zum Fall: Die Amerikaner hätten schnell jemanden als „Our Man“ bezeichnet.

Die ersten Reaktionen vieler Wegbegleiter Schulmeisters schwanken zwischen Ungläubigkeit und Erstaunen. Schulmeisters Sohn Paul – er war ORF-Korrespondent in Deutschland und ist heute „Presse“-Kolumnist – meint: „Ich halte das für ausgemachten Blödsinn.“ Auch Schulmeisters Nachfolger in der „Presse“-Chefredaktion, Thomas Chorherr, reagiert ähnlich: „Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Geschichten habe Schulmeister nie unterdrückt. Chorherr ist laut „profil“ selbst ins Visier der CIA-Residenten in Wien gekommen. Wegen einer Zusammenarbeit sei er aber nie angesprochen worden.

Horst Pirker, Herausgeber der „Presse“, sagt zur Causa Schulmeister: „Auch Legenden sind nur Menschen. Wir sollten dem, was wir aus heutiger Sicht für die Wahrheit halten, unverzerrt Platz geben und gleichzeitig zurückhaltend sein im Urteil. Wir sind mit unserer eigenen Geschichte nicht fertig, und erst recht nicht die Geschichte mit uns.“

Auch Ex-ORF-General Gerd Bacher hatte niemals ein Kooperationsangebot vom US-Geheimdienst bekommen, was er gegenüber der „Presse am Sonntag“ sogar ausdrücklich bedauert: „Wenn man mich gefragt hätte, wäre ich dabei gewesen. Aber offenbar hat man sich mit Schulmeister eben einen politisch besonders klugen Burschen geangelt.“ Nachsatz: „Das ist offenbar die Wiedergutmachung des ,profil‘ wegen der Zilk-Geschichte. Und das ist infam.“ Denn der Unterschied zwischen Zilk und Schulmeister sei von zentraler Bedeutung: Der „Presse“-Chef hat nie Geld angenommen oder bekommen.

Hugo Portisch, Chefredakteur beim „Kurier“ von 1958 bis 1969, reagiert mehr als überrascht auf die Nachricht von Schulmeisters Zusammenarbeit mit der CIA. Dass Zeitungen wie der „Kurier“ oder die „Presse“ in dieser Zeit „proamerikanisch – oder besser: „prowestlich“ – gewesen seien, war klar. „Die Sowjetunion hatte gedroht, jedes Land in Europa bis zum Atlantik zu besetzen. Das war eine Bedrohung.“ Ihn selbst hätte der CIA „niemals“ kontaktiert, er habe sich immer an die Devise „An Geheimdiensten nicht einmal anstreifen“ gehalten.

Tatsache ist freilich, dass sich viele Österreicher nie an diese Devise hielten. Im Oktober 1950 bezeichnete der US-Diplomat Coburn Kidd die Geheimdienstaktivitäten in Österreich als „fantastisch“. Kidds damaliger Einschätzung nach arbeitete etwa in Salzburg-Stadt jeder vierte Einwohner für einen in- oder ausländischen Nachrichtendienst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2009)

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