Der schwere Weg Großbritanniens in die Gemeinschaft hat einen Namen: Charles de Gaulle.
Es war ein milder Dezembertag im Jahr 1962. Frankreichs Präsident Charles de Gaulle hatte seinen britischen Staatsgast, Premierminister Harold Macmillan, auf Schloss Rambouillet eingeladen. Es wurde eine Jagd veranstaltet, am Abend fürstlich gespeist. De Gaulle konnte ein exzellenter Gastgeber sein, doch in der Sache blieb er ein beinharter Politiker. Als die beiden im Prunksaal zusammensaßen, offenbarte er Macmillan, dass ein EWG-Beitritt Großbritanniens nicht im Interesse Frankreichs liege.
De Gaulle wollte sein Gegenüber vorwarnen. Wenige Wochen später, am 14. Jänner 1963, stellte er in einer Pressekonferenz klar, Paris werde ein Veto gegen die von London beantragte Aufnahme in die EWG einlegen. Das Land mit seinen eigenwilligen Gewohnheiten und Traditionen passe nicht in die Gemeinschaft. Er kritisierte offen die enge Partnerschaft zwischen Großbritannien und den USA und warnte vor dem Entstehen einer „riesigen atlantischen Gemeinschaft“.
Großbritannien, dessen ehemaliger Regierungschef Winston Churchill kurz nach dem Krieg die Vision der „Vereinigten Staate von Europa“ propagiert hatte, wurde als Mitglied abgewiesen. De Gaulle hatte nicht vergessen, wie kritisch britische Politiker die Gründung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) kommentiert, wie sie mit der Efta eine Konkurrenzgemeinschaft gegründet hatten. Letztlich aber ging es ihm um Macht und um die französische Dominanz in Europa.
Der Schock der Briten saß tief, die Beitrittsverhandlungen wurden noch im selben Jahr abgebrochen. Die Ablehnung traf das Land in einer Phase des schmerzhaften Umbruchs. Wirtschaftlich wie geopolitisch verlor Großbritannien an Einfluss.
Die angespannte Wirtschaftslage war letztlich der Grund, warum der Stolz dennoch hintan gestellt wurde. Wenige Jahre später, 1967, stellte London einen zweiten Antrag auf Mitgliedschaft. Zuerst schien auch dieser Versuch erfolglos, doch zwei Jahre später trat in Paris Charles de Gaulle zurück. Sein Nachfolger Georges Pompidou hatte ein deutlich entspannteres Verhältnis zu den Briten. Und er wusste den zunehmenden Druck der EG-Partner, die auf eine Erweiterung drängten, geschickt zu einem Gegengeschäft zu nutzen. Für Zusagen in der Agrarpolitik gab er die Blockade gegen Großbritannien auf.
Schwierige Verhandlungen
Die Weichen waren also 1970 endlich Richtung Beitritt gestellt. Auch innenpolitisch, weil mit dem Tory-Politiker Edward Heath ein deklariert proeuropäischer Premier an die Macht kam. Seine europäische Überzeugung war so stark, dass er sich gegen die bereits damals vorhandenen eurokritischen Kräfte in der konservativen Partei durchsetzte.
Zwei Jahre lang liefen die Beitrittsverhandlungen. Und auch sie waren durch Rückschläge geprägt. Es spießte sich an den zu übernehmenden Regeln, am Geld und an der gemeinsamen Agrarpolitik, von der Großbritannien kaum profitieren konnte. Im Frühjahr 1971 steckten die Verhandlungen völlig fest. Wieder war es die Front zwischen Paris und London, die den Beitritt gefährdete. Erst bei einem Treffen zwischen Pompidou und Heath konnte ein Durchbruch erzielt werden.
Am 22. Jänner 1972 wurden die Beitrittsverträge mit Großbritannien, Irland, Dänemark und Norwegen unterzeichnet. Am 1. Jänner 1973 traten die Briten, Iren und Dänen der Gemeinschaft bei. Norwegens Bevölkerung hatte sich gegen die EG entschieden.
SONDERREGELN
Briten-Rabatt. Großbritannien erhält als einziges EU-Land einen Rabatt für seine Zahlungen an die EU.
Euro. Großbritannien nimmt nicht an der gemeinsamen Währung teil.
Grenzkontrollen. London hat sich eine Sonderregel beim Schengenabkommen herausverhandelt. Es darf weiterhin seine nationalen Grenzen kontrollieren.
Justiz und Inneres. Als die restlichen EU-Staaten eine gemeinsame Politik für die innere Sicherheit und die Zusammenarbeit der Justiz entwickelten, beharrte Großbritannien auf einem „Opt out“. Das heißt, es kann selbst wählen, an welchen Teilen es davon mitwirkt.
Grundrechtscharta. Großbritannien lehnte es ab, die im EU-Vertrag verankerte Grundrechtscharta zu übernehmen, obwohl darin lediglich die gängigen Menschenrechte festgeschrieben wurden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)