Wer am besten übersetzt, der gewinnt

Die 21. Bundesolympiade Latein und Griechisch beginnt am Montag in Wien. Knapp 50 Schüler aus ganz Österreich rittern um die beste Übersetzung. Thema in diesem Jahr: die Stadt Wien und ihre Vielfalt.

Wien(som). Dass die Schrift fast 500 Jahre alt ist, merkt man ihr nicht an. Petrus Paganus lässt den Götterboten Merkur einen Lokalaugenschein in der Stadt nach der ersten Türkenbelagerung unternehmen: „Inde senatorum postquam me praeter?t ordo“, schreibt der Dichter. „Wie dann die Mitglieder des Gemeinderats an mir vorübergezogen waren, da vermerkte ich aufmerksamen Sinns die unterschiedlichen Sprachen der Menschen.“ Da sind ein Botschafter des Sultans, spanische Gesandte, ungarische Siedler, Polen und sogar das „Volk vom kalten Borysthenes“, dem Fluss Dnjepr, Ukrainer also.

Das multikulturelle Wien: Schon vor einigen Jahrhunderten war es Gegenstand von Reportagen, Streitschriften, Berichten – oft in lateinischer Sprache. „Die Stadt Wien und ihre Vielfalt“ ist das Thema der diesjährigen Latein-Bundesolympiade, die heute, Montag, in Wien beginnt; ebenso wie die Griechisch-Bundesolympiade, die sich dem Thema Integration und Migration aus einem allgemeinen Blickwinkel nähert.

Als Beitrag zur Begabtenförderung verstehen sich auch die Landesolympiaden, die dem Bundesbewerb vorangehen. Schüler, die dort antreten, besuchen mehrere Monate lang Vorbereitungskurse. Meist sind es die Klassenbesten, solche, die sich für alte Sprachen interessieren, wie etwa der diesjährige Wien-Gewinner für Langlatein (sechs Jahre Unterricht), Clemens Löschnauer. „Viele der lateinischen Schriften besitzen auch heutzutage einen bestimmten Wert“, sagt er.

Aus Wien nur Privatschüler

Knapp 50 Schüler aus ganz Österreich – zwei pro Bundesland und Kategorie, jeweils die beiden Erstgereihten aus den Landesbewerben – sind zum Austragungsort, dem Jugendhotel Wilhelminenberg, gekommen: 32 von ihnen werden in den Kategorien Kurzlatein (vier Jahre Unterricht) und Langlatein antreten, die restlichen 14 in Altgriechisch. Grund für die geringe Teilnehmerzahl: Altgriechisch wird im Burgenland und in Vorarlberg nicht mehr angeboten; landesweit gibt es 49 Schulstandorte, die Altgriechisch im Programm haben. Übrigens: Während bundesweit mehr Olympiadenteilnehmer aus öffentlichen Schulen kommen, sind ihre Wiener Mitbewerber allesamt Privatschüler.

In den Tagen vor der schriftlichen Klausur am Donnerstag – für die Übersetzung sind mehr als eineinhalb Stunden anberaumt – steht das gemeinsame Lernen mit dem eigens erstellten Skriptum im Mittelpunkt. Ein strenger Studienaufenthalt – plus ein paar Exkursionen. „Die Schüler werden kaserniert“, erklärt Viktor Streicher den Ablauf der Woche, „damit alle die gleichen Voraussetzungen haben“. Streicher ist Lateinlehrer an der Wiener Albertus-Magnus-Schule und engagierter Organisator der diesjährigen Olympiade. Er hat sich mit seinem Kollegen Franz-Walter Grobauer auf die nicht immer einfache Suche nach den lateinischen Quellen aus Mittelalter und Neuzeit – die Texte gehen bis ins 18.Jahrhundert! – gemacht.

Übersetzen werden die Schüler daher auch Gustostückerln mit Lokalkolorit wie die Szene vom Blunzn-Verspeisen im Prater: „Jenen gefallen Gedärme, die man mit den Innereien und geronnenem Blut eines Schweines gestopft hat, das nach seinem Tod in den eigenen Eingeweiden bestattet ist.“ Vielleicht sollte der Werbespruch lauten: Wien isst anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2009)

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