Antirassismus-Konferenz: Scharfe Kritik an Boykottierern

Ban Ki-moon
Ban Ki-moon(c) AP (Anja Niedringhaus)
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UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärt, er sei "zutiefst enttäuscht" über das Fernbleiben mehrerer Staaten. US-Präsident Obama argumentiert mit "heuchlerischen" Rassismus-Vorwürfe gegen Israel als Boykott-Grund.

Überschattet vom Boykott mehrerer westlicher Staaten hat in Genf die Anti-Rassismus-Konferenz der Vereinten Nationen begonnen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon kritisierte in seiner Eröffnungsrede, dass viele westliche Länder ihre Teilnahme an der Konferenz abgesagt hätten. Er sei "zutiefst enttäuscht": "Wir träumen davon, in eine neue Richtung zu gehen, jedoch bleiben zu viele von uns in der Vergangenheit verstrickt." Die Sorge vor einer einseitigen Verurteilung Israels und ein Auftritt des umstrittenen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad bewegten mehrere Staaten dazu, ihre Teilnahme für die bis Freitag geplante Konferenz abzusagen. US-Präsident Barack Obama begründete die Absage seines Landes damit, dass die Organisatoren darauf bestanden hätten, "heuchlerische" Rassismus-Vorwürfe gegen Israel zu präsentieren. (Der umstrittene Entwurf...)

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Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte am Sonntagabend in Berlin die Absage Deutschlands bekanntgegeben. Zur Begründung erklärte er, es sei zu befürchten, dass die Konferenz "als Plattform für andere Interessen missbraucht" werde. Der Menschenrechtsbeauftragte des deutschen Auswärtigen Amtes, Günter Nooke, wurde am Montag deutlicher: Ein solches Treffen dürfe nicht instrumentalisiert werden, um Israel einseitig an den Pranger zu stellen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie das American Jewish Committee (AJC) begrüßten die deutsche Haltung. Allerdings schloss Vize-Regierungssprecher Thomas Steg eine Teilnahme im Laufe der Woche nicht aus: "Wenn sich ein positiver Ablauf abzeichnet, haben wir uns vorbehalten, in die Schlussdiskussion einzusteigen." Es wäre das erste Mal, dass Deutschland eine UNO-Konferenz boykottiert.

Österreich schickt Beamten

Österreich nimmt auf Beamtenebene an der Genfer Konferenz teil. Ähnlich wie Frankreich will Österreich die Teilnahme aber nach eigenem Erwägen abbrechen, sollten dabei Aussagen von bestimmten Politikern fallen, die nicht akzeptabel seien, wie es am Montag aus dem Außenministerium hieß. Zu den Boykott-Staaten zählen neben Israel auch noch Kanada, Australien, Neuseeland, Italien, die Niederlande und Polen. Die EU hat damit keine einheitliche in der Teilnahme-Frage erzielt.

Aus Protest gegen ein Treffen des Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz mit dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad am Sonntagabend hat Israel unterdessen seinen Botschafter Ilan Elgar zu Konsultationen abberufen, wie das israelische Außenministerium in Jerusalem mitteilte: Das Treffen des Präsidenten eines demokratischen Staates mit einem Holocaust-Leugner wie Ahmadinejad, der auch zur Zerstörung des Staates Israel aufrufe, entspreche nicht den Werten, für welche die Schweiz stehe, hieß es in der israelischen Mitteilung. Es widerspreche auch den Werten, die bei der Rassismus-Konferenz vertreten werden sollten.

Ahmadinejad gehört zu den Rednern auf der Konferenz am heutigen Nachmittag. Der Präsident hat wiederholt den Holocaust in Zweifel gezogen und gesagt, Israel müsse aus den Annalen der Geschichte getilgt werden. Ban verurteilte vor Auftakt der Konferenz die Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts, wie seine Sprecherin erklärte. "Während wir ihrer gedenken, ist ein Rassist Ehrengast einer Konferenz gegen Rassismus in Genf, jemand, der den Holocaust leugnet und keinen Hehl aus seinem Wunsch macht, Israel vom Antlitz der Erde zu wischen", beklagte Premier Benjamin Netanyahu am Montag, dem Holocaust-Gedenktag in Israel, auf einer Kabinettssitzung. "Sechs Millionen von uns wurden im Holocaust ermordet. Nicht jeder hat daraus seine Lehren gezogen."

Kritik am Abschlussdokument

Die Kritik entzündet sich nicht nur an Ahmadinejad, sondern auch am geplanten Abschlussdokument. Zwar sind daraus Passagen zum Nahost-Konflikt gestrichen worden. Nach Angaben der US-Regierung werden in der verbliebenen Version aber dennoch die Beschlüsse der Vorgängerkonferenz von 2001 im südafrikanischen Durban in einer "verwerflichen Sprache" bestätigt. Die sogenannte Durban-II-Konferenz in Genf soll prüfen, ob es seit der ersten Anti-Rassismus-Konferenz vor acht Jahren Fortschritte beim Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegeben hat. Schon die erste Anti-Rassismus-Konferenz im südafrikanischen Durban war mit Antisemitismus-Vorwürfen zu Ende gegangen.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sagte, sie sei "schockiert und tief enttäuscht über die Entscheidung der Vereinigten Staaten, nicht teilzunehmen". Es sei wesentlich, das Rassismus-Problem auf globaler Ebene anzugehen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch meinte ein Boykott spiele jenen in die Hände, die an einem Scheitern der Konferenz interessiert seien. Der russische Vize-Außenminister Alexander Jakowenko meinte gegenüber der Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta": Einige westliche Staaten würden nicht mit der steigenden Zahl an Migranten aus Entwicklungsländern fertig und boykottierten das Treffen daher. In einer Reihe dieser Länder, "die sich selbst demokratisch nennen", würden ethnische Minderheiten "systematisch" diskriminiert, sagte der Diplomat. Unter der Leitung Russlands sei eine "Kompromiss-Erklärung" erarbeitet worden.

(Ag.)

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