Energiewende: „Die Wahrheit ist, es wird teuer“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Dass die grüne Energiewende billig wäre und am Ende wirtschaftliche Vorteile brächte, sei Nonsens, sagt Oxford-Ökonom Dieter Helm. Dennoch sei es wichtig, etwas gegen den Klimawandel zu tun, weil er zu ernste Folgen habe.

Die Presse: Seit Herbst ist der Ölpreis kräftig gefallen. Treibstoffe kosten so wenig wie seit Langem nicht mehr. Wo soll in so einem Umfeld der Anreiz für CO2-freie-Technologien herkommen?

Dieter Helm: Der aktuelle Ölpreis ist eigentlich der normale Ölpreis. Ein Preis von 110 war abnormal. Aber natürlich stellt sich nun die Frage, warum die Menschen mehr Geld für CO2-freie Technologien ausgeben sollen? Die Antwort: weil der Klimawandel wirklich ernste Folgen hat. Daher müssen wir uns darum kümmern. Wir sollten aber nicht so tun, als ob wir in einer Märchenwelt leben, in der die derzeit verfügbaren Erneuerbaren plötzlich wettbewerbsfähig werden. Wir sollten lieber schauen, dass wir unser Geld so effizient wie möglich einsetzen. Mein Vorschlag wäre daher, Kohle durch Gas zu ersetzen. Das senkt den CO2-Ausstoß drastisch. Der Rest des Geldes sollte in die Forschung bei den Erneuerbaren investiert werden.

Europa wird schon seit Jahren von einer Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit gebeutelt. Wie kann man die Menschen in gerade so einer Situation für dieses Thema interessieren?

Generationen kümmern sich immer mehr um sich selbst als um künftige Generationen. Und wir haben derzeit auch wirklich eine wirtschaftlich schwierige Zeit. Zudem wurde uns von der Politik jahrelang eingeredet, dass die grüne Energiewende billig wäre und uns am Ende wirtschaftliche Vorteile brächte. Das ist Nonsens. Die Wahrheit ist, es ist teuer. Aber es ist notwendig. Wir sollten jedoch genau darauf achten, wo wir Geld ausgeben.

Wer sollte festlegen, wo das Geld am besten aufgehoben ist?

Am einfachsten wäre es, dies über Auktionierungen zu ermitteln. Die Technologien sollten gegeneinander antreten, ohne dass von der Politik vorgegeben ist, welche verwendet wird. Dann werden die teuren Technologien automatisch aus dem Markt gedrängt. In der Realität sieht das aber anders aus. Da hat etwa Deutschland eine enorme Summe verwendet, um Solarpaneele auf die Dächer zu bringen. Und das in einem dunklen Land in Nordeuropa. Das kostet rund 20 Mrd. Euro pro Jahr.

Wir werden aber auch bei einer Auktionierung trotzdem weiter Subventionen brauchen.

Das kommt darauf an. Denn das Problem mit den fossilen Energieträgern ist ja, dass die wahren Kosten, die sie verursachen, nicht in ihrem Preis enthalten sind. Dies trifft vor allem bei Kohle zu, die zu einer massiven Luftverschmutzung führt und so auch Kosten im Gesundheitssystem verursacht. Das ist im Kohlepreis aber alles nicht enthalten. Wir sollten daher auch hier ein faires Spielfeld zwischen den Energieträgern schaffen.

Wie schafft man dieses Spielfeld?

Man brauchte einen wirklichen Preis für CO2. Das bestehende CO2-Handelssystem ist an dieser Aufgabe gescheitert. Und da hilft es auch nichts, jetzt zu sagen, die Politik kann diesen Preis nicht einführen, weil Wähler ihn nicht akzeptieren. Wir haben derzeit einen versteckten CO2-Preis in Form dieser enormen Subventionen für die Erneuerbaren. In Wirklichkeit zahlen wir mehr, als wir müssten, um den CO2-Ausstoß zu senken.

Es braucht also eine CO2-Steuer?

Wenn es einen vernünftigen und nachvollziehbaren CO2-Preis gibt – der niedrig startet, etwa bei zehn Euro pro Tonne, dann aber zu festgelegten Zeitpunkten in der Zukunft fix ansteigt. Wie würden die Leute reagieren? Zuerst einmal würden sie von Kohle auf Gas wechseln. In weiterer Folge würden die Erneuerbaren sukzessive wettbewerbsfähig werden, und zwar in der Reihenfolge ihrer wirklichen Wirtschaftlichkeit und nicht in jener, die politisch gewünscht wird.

Manche Ökonomen sagen, dass der CO2-Preis des Handelssystems genau der richtige Preis ist, weil er eben durch Angebot und Nachfrage festgelegt wurde.

Wenn man Ziele für den Ausstoß von CO2 festlegt, und nicht für den Konsum von Gütern, für deren Produktion CO2 emittiert wurde – und dann durch eine große Wirtschaftskrise geht und gleichzeitig deindustrialisiert, dann ist es ziemlich leicht, diese Ziele zu erreichen. Deshalb ist der Preis so niedrig. In Wirklichkeit importieren Europäer und Amerikaner die CO2-intensiven Produkte aus China. Sie emittieren also für uns. Global gesehen haben wir trotz all unserer Kosten nichts gegen den Klimawandel getan. Wir müssten den Import von CO2-intensiven Produkten genau so verteuern wie die Produktion von ihnen hierzulande.

Es sollten also neue Zollschranken aufgebaut werden?

Nicht notwendigerweise. Man könnte auch festlegen, dass dies nur für Produkte gilt, die nicht im Herkunftsland entsprechend für ihren CO2-Ausstoß besteuert wurden. Wie lang, glauben Sie, wird China dann warten, selbst eine CO2-Steuer einzuführen? So bringt man die ganze Welt dazu, CO2 einen Preis zu geben.

Wäre das nicht ein Problem für den globalen Freihandel?

Zuerst einmal muss man sagen, dass die Nichtbesteuerung von CO2 in manchen Ländern eine wirkliche Störung des Freihandels ist. Diese Länder exportieren ihre Güter nach Europa und besteuern die Emissionen nicht, wir tun es schon. Das stört den Freihandel wirklich. Zweitens lassen die WTO-Regeln Einschränkungen aus ökologischen Gründen explizit zu. Es wäre also kein Problem.

Warum wird diese Idee dann nicht umgesetzt? Sie ist ja schon öfter formuliert worden.

Es gibt eben viele Widerstände. Es wäre für uns schwieriger, uns um unseren CO2-Konsum als um den CO2-Ausstoß zu kümmern. Letzterer wird immer mit Bezug auf 1990 berechnet. Kurz danach brach damals die osteuropäische Wirtschaft zusammen. Und in Großbritannien gab es einen Einbruch beim Kohleverbrauch. Daher ist es für viele Länder leicht, ihre Ziele zu erreichen. Warum sollten sie einer Änderung zustimmen?

Kritiker von Ihnen sagen, durch die Forcierung von Gas und der Verschiebung von Erneuerbaren in die Zukunft würde das fossile System einbetoniert werden.

Ohne die Forcierung von Gas gibt es eben die noch viel schlechtere Forcierung von Kohle. Das sehen wir ja. Es ist unsinnig, auf die Vorteile von Gas zu verzichten, nur weil man Angst hat, in 15 bis 20Jahren zu sagen: Okay, jetzt schließen wir die Gaskraftwerke wieder. Es werden lieber unglaublich teure, noch nicht ausgereifte erneuerbare Technologien bereits heute verwendet. Würden wir nur einen kleinen Teil der Ausgaben für die Förderung Erneuerbarer für die Forschung an diesen verwenden, wäre der Kampf gegen den Klimawandel viel billiger.

ZUR PERSON

Dieter Helm ist Professor für Energiewirtschaft an der Universität Oxford. Der 1956 geborene britische Ökonom sorgte im Jahr 2012 mit seinem Buch „The Carbon Crunch. How We're Getting Climate Change Wrong – And How to Fix It“ international für Aufsehen. Er war auf Einladung der Webster University für einen Vortrag in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2015)

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