Auch Lehrerleistungen werden durch die Zentralmatura zunehmend transparenter. Besonders schlechte Resultate könnten auch Folgen haben.
Wien. Früher war es ja relativ einfach: Drohte eine Klasse bei der schriftlichen Matura richtig schlecht abzuschneiden, übten manche Lehrer davor bestimmte Beispiele besonders intensiv. Und wenn eine Maturaklasse nach der anderen reihenweise Fünfer einfuhr, war man eben ein besonders fordernder Lehrer. Ohne alle Pädagogen unter Generalverdacht stellen zu wollen – es gab Schlupflöcher, um zu verhindern, dass Klassen allzu schlecht abschnitten. Und Argumente, um schlechte Ergebnisse besser darzustellen. Die sind mit der Zentralmatura nun weg.
Auch wenn Lehrerleistung nicht gleich Schülerleistung ist – denn natürlich spielen da sehr viele andere Faktoren mit –, macht die neue Matura nicht nur die Leistungen der Schüler vergleichbar, sondern auch die der Lehrer. Ein Lehrer, dessen Klassen notorisch versagen, dessen Schüler deutlich schlechter abschneiden als die der Kollegen, ist zumindest potenziell ein schlechter Pädagoge. Oder anders gesagt: Der Rechtfertigungsdruck für die Lehrer steigt. Und damit womöglich auch die Nervosität. Immerhin gibt es international vergleichsweise krasse Beispiele dafür, was man mit zentralen Prüfungsergebnissen anstellen kann: So feuerte in Washington die Chefin der Schulbehörde vor fünf Jahren fünf Prozent der Lehrer – die meisten, weil ihre Schüler in standardisierten Tests schlecht abgeschnitten hatten.
Verpflichtende Fortbildungen?
In Österreich ist man davon zwar auch gedanklich weit entfernt. Doch die neue Vergleichbarkeit ist dem Bildungsministerium nur recht: „Sollten tatsächlich an bestimmten Standorten oder in bestimmten Klassen überdurchschnittlich schlechte Ergebnisse auftreten, wird das in die qualitative Weiterentwicklung des Unterrichts einfließen“, heißt es aus dem Büro von Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Viel deutlicher will man nicht werden. Aber allein die Vorstellung, womöglich zu Fortbildungen verdonnert zu werden oder die Unterrichtsplanung mit dem Direktor absprechen zu müssen, dürfte den wenigsten Lehrern gefallen.
Laut Bildungsressort gehe es zunächst um ein Miteinander zwischen Lehrer, Direktion und Schulaufsicht – ähnlich, wie das jetzt schon bei den Bildungsstandards der Fall sei. Diese bringen genauso wie die Zentralmatura mehr Transparenz, auch über die Lehrerleistung. Mit dem Unterschied, dass bei der Matura Kollegen, Eltern und Schüler Bescheid wissen. Das Umfeld weiß, wie eine bestimmte Klasse abgeschnitten hat.
Es gibt viele andere Gründe, warum sich viele Lehrer und ihre Gewerkschaft so erbittert gegen die Zentralmatura gewehrt haben – weil sie ein Eingriff in ihre Freiheit ist zum Beispiel. Mitgespielt hat die neue Vergleichbarkeit aber bestimmt – das bestätigen auch Lehrer, zumindest hinter vorgehaltener Hand. Offensiv kommuniziert wird das nicht, auch nicht unter Lehrerkollegen: Wer gibt schon gern zu, die neue Matura zu fürchten, weil er Angst hat, dass seine Klasse versagt?
Der oberste AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin sieht die Zentralmatura ohnehin überhaupt nicht als Testung des Lehrers. „Es werden ja nicht die Lehrer geprüft, sondern die Schüler.“ Aus dem Ergebnis eines Schülers könne man nichts über einen Lehrer ableiten, so Quin: Man wisse nichts über seine Intelligenz, über seinen Hintergrund, über seinen Eifer. Auch nicht, ob es vielleicht Lehrerwechsel gab. Auf längere Sicht könne man gewisse Rückschlüsse ziehen, meint er dann doch. „Aber das konnte man ja früher auch. Eine Matura ist ja kein Geheimnis.“
Das stimmt: Auch bisher kam die Schulaufsicht ins Spiel, wenn es irgendwo gar nicht klappte. Bei etwaigen Auffälligkeiten habe es immer schon Dienstaufsichtsbesprechungen gegeben, auch schon bevor es die Zentralmatura gab, heißt es aus dem Wiener Stadtschulrat. Und auch künftig würde sich die Schulaufsicht die Ergebnisse genau ansehen. „Das ist eine Zentralmaturakontrolle, aber insofern natürlich auch eine der Lehrer.“ Und: „Jetzt gibt es weniger Ausreden.“

Faire Beurteilungen sind schwierig
Die Lehrer würden jetzt stärker als zuvor vor der Frage stehen, wie sie die Ergebnisse ihrer Schüler rechtfertigen, sagt die Bildungsexpertin Christa Koenne. Man müsse sich mit relativen Erwartungswerten befassen. Von einem Oberstufengymnasium (mit vielen Ex-Hauptschülern) kann man nicht die gleichen Ergebnisse erwarten wie von einem Elitegymnasium. „Aber wenn unter gleichen Rahmenbedingungen sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden, muss das den Lehrer zum Überlegen bringen. Und wenn es sich um Wiederholungstäter handelt, sollte die Behörde reagieren.“ Eine gewisse Verunsicherung rühre aber auch von etwas anderem, sagt sie: „Lehrer wissen, wie schwer es ist, fair zu beurteilen. Und jetzt werden sie selbst beurteilt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2015)