"Honsik ist nicht irgendein kleiner Nazi"

Gerd Honsik
Gerd Honsik(c) APA (Roland Schlager)
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NS-Wiederbetätigungsprozess: Als "einer der bekanntesten Revisionisten", als "Geschichtsfälscher und Blender" steht der 67-jährige Gerd Honsik erneut vor Gericht. Ein Schuldspruch ist laut Anklage "absolut unumgänglich".

WIEN. „Noch heute, 120 Jahre nach der Geburt Adolf Hitlers“, werde dieser von einschlägigen Kreisen verherrlicht. Es handle sich oft um Leute „mit niedriger Bildung“ oder „um Arbeitslose“ oder „um Leute, die mehr sein wollen, als sie sind, und sich daher in eine Gruppe begeben“. Dies trägt Staatsanwalt Stefan Apostol gestern, Montag, im Grauen Haus vor. Und erntet dafür ungehaltenes Murren aus dem Publikum.

Es ist nicht irgendein Montag. Es ist der 20. April, der 120. Geburtstag Adolf Hitlers. Und es ist der Auftakt zum NS-Wiederbetätigungsprozess gegen Gerd Honsik (67). Dass einige Zuseher murren, erscheint plausibel, entdeckt man doch den einen oder anderen Jüngling im Trachtenanzug und mit genau der Frisur, die man sonst nur noch in Filmen über die Nazizeit sieht.

Schon 1992 wurde Honsik („Ich war Schriftsteller, jetzt bin ich Pensionist.“) gemäß dem österreichischen Verbotsgesetz verurteilt. Grund dafür war sein Buch „Freispruch für Hitler?“. Er bekam eineinhalb Jahre Haft, floh nach Spanien, wurde 2007 aufgrund eines EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus ausgeliefert. Nun erst, bei einer Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Wien, wurde seine 15 Jahre alte Haftstrafe rechtskräftig.

Jetzt steht Honsik wieder vor den Geschworenen. „Nicht als irgendein kleiner Nazi“, sondern als „Geschichtsfälscher und Blender“. Honsik habe sich von 1987 bis 2003 als Herausgeber der rechtsgerichteten Zeitschrift „Halt“ im nationalsozialistischen Sinne betätigt, erklärt der Staatsanwalt. Und hält dabei demonstrativ ein Exemplar der besagten Postille hoch, weist auf den Untertitel hin, der da lautet „Dem deutschen Volke verpflichtet“. – „Es geht in hetzerischer Weise um Förderung von NS-Gedankengut, die Zeitschrift ist dafür ein Propagandamittel“, so der Anklagevertreter.

Weitere Verstöße gegen das Verbotsgesetz laut Anklageschrift: Das Veröffentlichen der einschlägigen Bücher „Schelm und Scheusal“ über den Nazijäger Simon Wiesenthal und „Der Juden drittes Reich?“ über eine angebliche jüdische Weltverschwörung. Fazit: „Ein Schuldspruch ist absolut unumgänglich.“ Etwas bodenständig vorgetragener Ratschlag zum künftigen Verhalten des Beschuldigten: „Er soll den Mund halten und sich nicht wiederbetätigen.“ Honsik bedient sich einer ausgefallenen Verteidigung. Er bekennt sich „nicht schuldig“ und trägt dann eine Art Ballade vor, um aufzuzeigen, dass er „kein Rassist, kein Antisemit, kein Nationalsozialist und kein Holocaustleugner“ sei. An den Ankläger: „Herr Staatsanwalt, Sie haben es mit einem Humanisten zu tun, der das jüdische Verfolgungsschicksal nicht bestreitet.“

Richter Andreas Böhm hält Honsik daraufhin eine Passage aus „Halt“ vom November 1994 vor. Damals schrieb Honsik, er bestreite die Existenz von Gaskammern. Darauf bringt der Angeklagte eine gewundene Rechtfertigung vor, wonach es nur darum gegangen sei, dass nicht alle Morde des NS-Regimes allein in Auschwitz begangen worden seien.

Honsiks Verteidiger Herbert Schaller – von dem der Staatsanwalt sagt: „Er ist erfahrener als ich, ich bin relativ jung, er ist 87“ – gibt einiges zum Besten, das kritische Zuhörer erneut an das Verbotsgesetz denken lässt. Die Existenz von Gaskammern werde vom Gesetzgeber nicht als Tatsache, sondern nur als „notorische Tatsache“ eingestuft. Schlussfolgerung laut Schaller: „Die Existenz von Gaskammern ist keine Tatsache, sondern nur herrschende Meinung.“ Später spricht Schaller vom „unfassbaren Vorwurf eines industriellen Massenmordes“.

Dass Honsik ein „besonders gefährlicher“ Täter sein solle (ihm drohen somit bis zu 20 Jahre Haft), sei auch „völlig unfassbar“. Dessen Leugnen der Gaskammern sei in Wahrheit ein Bestreiten. Weil Honsik einfach nicht glauben könne, „dass so etwas in der Großelterngeneration passiert sein könnte“. Und: „Es ist ein anständiges Begehren, es genau wissen zu wollen.“ Honsik bemühe sich um Sachbeweise. Bisher gebe es nur Zeugenbeweise. Schaller: „Zeugen sind das unverlässlichste Beweismittel.“ Prozessfortsetzung am Freitag, Urteil am 27. April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2009)

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