Neues Feindbild Landeshauptmann

WAHLKONVENT  NEOS WIEN: STROLZ
WAHLKONVENT NEOS WIEN: STROLZ(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
  • Drucken

Matthias Strolz versucht sich auf Kosten der Landeshauptleute zu profilieren. Das soll Wahlerfolge zeitigen, kann das Problem seiner Partei aber nur kurzfristig zudecken.

Wien. Die Neos sind wieder da. Lange Zeit ist es ruhig um Österreichs jüngste Parlamentspartei gewesen. Ein bisschen U-Ausschuss hier, ein wenig Bildungspolitik da und dazu die übliche Dosis Enkelfitness. Aber das Agenda-Setting, die Themensetzung im politischen Alltag, wollte zuletzt nicht so recht gelingen.

Seit dieser Woche ist das anders, denn die Neos haben ein neues Thema gefunden: die Macht der Landeshauptleute und ihre (negativen) Auswirkungen. Am Dienstag ging die Partei mit der Forderung an die Öffentlichkeit, die Amtszeit der Länderchefs auf zwei Perioden zu begrenzen. Am Mittwoch legte Parteichef Matthias Strolz nach, indem er sich als ungebetener Gast bei der Landeshauptleute-Sitzung in St. Pölten in Szene setzte.

Dabei machte Strolz einen auf Martin Luther, brachte seine Thesen an der Landhauswand an, sprach vom „Gipfel der Verantwortungslosen“ und kritisierte, dass die Länder das Geld, das der Bund einnimmt, leichtfertig ausgeben. Woraus er die Forderung nach einer Steuerautonomie für die Länder ableitet. Denn Einnahmenverantwortung führt seiner Meinung nach auch zu Ausgabenverantwortung.

Es ist altes politisches Handwerk, das die Neos hier zeigen: Eine Partei, die unter einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet, sucht sich ein Feindbild, an dem sie sich abarbeiten und aufrichten kann. Mitunter kann das sogar zu kurzfristigen Wahlerfolgen führen.

Das Timing ist, dreieinhalb Wochen vor den ersten beiden Landtagswahlen des Jahres, natürlich wohlüberlegt. Es musste etwas geschehen, denn die Umfragen waren zuletzt nicht gerade erfreulich. Es ist keineswegs sicher, dass es die Neos am 31. Mai in den burgenländischen und den steirischen Landtag schaffen. Das Gleiche gilt auch in Oberösterreich, das am 27. September wählt. In Wien wird die Partei am 11. Oktober zwar die Gemeinderatshürde nehmen, aber ihr Potenzial war schon einmal deutlich höher als jene sieben Prozent, die Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger als Ziel ausgegeben hat.

Das Tief über dem Neos-Hauptquartier hält sich nun schon bedenklich lang. Es kam mit der EU-Wahl im Frühjahr 2014 und war auch im darauffolgenden Herbst bei der Vorarlberger Landtagswahl noch nicht wieder vorübergezogen. In beiden Fällen blieb die Partei hinter den Erwartungen zurück.

Das mag zum Teil personelle Ursachen gehabt haben, aber in erster Linie gab es dafür einen inhaltlichen Grund: Das Programm der Neos ist in wesentlichen Bereichen unpräzise. Eine – laut Eigendefinition – liberale Partei, die auf Privatisierungsfragen nur schwammig antwortet und beim Thema Cannabis-Legalisierung keine einheitliche Linie hatte, vermittelt nicht gerade den Eindruck, ideologisch gefestigt zu sein. Ein Selbstfindungstrip mag einer jungen Bewegung zustehen, erhöht aber die Verwechslungsgefahr mit etablierten Konkurrenten, je mehr Zeit vergeht.

Das Match mit der ÖVP

Hinzu kommt, dass sich jene Partei, auf deren Kosten sich die Neos profilieren konnten, weiterentwickelt hat. Wegen der Neos. Die ÖVP ist mit dem Wechsel von Michael Spindelegger zu Reinhold Mitterlehner liberaler geworden, wenn auch nur gesellschaftspolitisch. Das Pendel schlug also zurück.

Jetzt versuchen es die Neos mit einer neuen Erzählung, einem neuen Abgrenzungsversuch zur Volkspartei, der man nachsagt, eine von Landeshauptleuten diktierte Partei zu sein. Damit stoßen sie zumindest in eine Marktlücke. Denn die FPÖ begnügt sich mit Kritik an der Bundesregierung und dem Wiener Bürgermeister. Und den Grünen sind die Hände gebunden: Wer in sechs Ländern mitregiert und diesen Trend gern fortsetzen würde, wird sich die Länderchefs eher nicht zum Gegner machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Neos wollen Macht der Landeshauptleute begrenzen
Politik

Neos wollen Macht der Landeshauptleute begrenzen

Die Spitzenkandidaten für Wien, Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland fordern eine Beschränkung der Amtszeit von Landeshauptleuten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.