Forschung: Was macht die Schweiz besser als Österreich?

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In der Schweiz kommt man ohne Innovationspolitik zum Gipfel. Noch entscheidender als das Geld könnte die Freude am Wettbewerb sein.

Der Geist Albert Einsteins ist nicht nur in der Schweizer Hauptstadt Bern präsent. In deren Altstadt ist noch heute die Wohnung des Physikers zu besichtigen. Hier lebte er, als er am Schweizer Patentamt arbeitete, hier legte er eine wichtige Basis für seine spätere wissenschaftliche Karriere. Bis heute ist man im mit rund acht Millionen Einwohnern ähnlich kleinen Land wie Österreich stolz auf Innovationsgeist und fördert ihn. Man habe als Land mit wenig Rohstoffressourcen gar keine andere Wahl, sagen Experten. Das ist eigentlich auch in Österreich so.

Die Schweizer sind dabei allerdings weit erfolgreicher: Ihre Hochschulen belegen Spitzenplätze in internationalen Rankings. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl liegen ihre Forscher mit ihrer Publikationstätigkeit weltweit sogar ganz vorn. Und das, obwohl man „keine Innovationspolitik“ habe, so der für Bildung, Forschung und Innovation zuständige Staatssekretär, Mauro Dell'Ambrogio vor einer Delegation aus Wissenschaftsexperten und Journalisten aus Österreich.

Die Innovationsfähigkeit sei vielmehr Resultat verschiedener Rahmenbedingungen. Was machen die Schweizer Eidgenossen also anders als die Österreicher?

Großteil aus der Privatwirtschaft

Zunächst geben sie ungefähr doppelt so viel für Forschung und Entwicklung aus. 2012 investierte die Schweiz 18,5 Milliarden Franken, also rund 18 Milliarden Euro, Österreich etwa neun Milliarden Euro. Dabei kommen allerdings mehr als 60 Prozent der Schweizer F&E-Gelder aus der Privatwirtschaft und nur rund 25 Prozent aus der öffentlichen Hand – also vom Bund oder den Kantonen (siehe Grafik). Mit diesem Anteil liegt die Schweiz zehn Prozent hinter dem europäischen Durchschnitt und 15 Prozent hinter Österreich.

Die öffentlichen Mittel werden auch anders verteilt: An die für anwendungsorientierte Forschung zuständige Kommission für Technologie und Innovation (KTI) gehen rund 150 Millionen Euro, an die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft insgesamt 460 Millionen Euro. „In der Schweiz gibt es keine Forschungsförderung für Unternehmen. Steuergelder dürfen nicht in Firmen gehen“, so Dell'Ambrogio. Zwar fördert die KTI Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen, bezahlt werden aber vor allem Coachings und Schulungen.

„Wir sehen uns in erster Linie als Katalysator“, sagt KTI-Direktor Andreas Reuter. Man mache aus Wissen Geld und verdopple dabei die Mittel des Bundes.Dabei hilft auch das äußerst liberale Stiftungsrecht: Unzählige gemeinnützige Stiftungen investieren in die Forschung, ohne steuerpflichtig zu sein. Und Stiftungen dürfen Firmen auch direkt unterstützen, bei der KTI spricht man von einer „symbiotischen Zusammenarbeit“.

„Arbeiten nicht für den Papierkorb“

In die Grundlagenforschung fließen daher weit mehr Mittel als in die angewandte Forschung. Der Schweizer Nationalfonds (SNF) arbeitet derzeit mit einem Budget von jährlich etwa 810 Millionen Euro. Entsprechend hoch ist die Bewilligungsquote: Rund 50 Prozent der beantragten Projekte werden im Wettbewerb vergeben. Beim mit 211 Millionen Euro deutlich geringer dotierten Österreichischen Forschungsförderungsfonds FWF kann derzeit nur jeder fünfte Antrag genehmigt werden. Und während man in Österreich erst kürzlich vor einem Qualitätsabfall bei den für die Forscher aufwendigen Anträgen warnte, heißt es aktuell in der Schweiz: „Unsere Wissenschaftler arbeiten nicht für den Papierkorb.“

Auch die Kosten für sogenannte Overheads, also etwa Mieten und Infrastruktur, werden mit 15 Prozent der Projektsumme abgegolten. In Österreich waren diese zuletzt in Diskussion geraten, sollen nun aber aus Strukturmitteln des Wissenschaftsministeriums kommen. Ein Legitimationsproblem für Forschungsgelder kennt man in der Schweiz kaum: „Die Schweizer sind extrem wissenschaftsfreundlich, es sei in den Köpfen verankert, dass das eine wichtige Ressource ist, in die man investieren muss“, sagt Urs Baltensperger vom SNF.

Die besten Ideen werden belohnt

Auch Erfindergeist wird früh gefördert. An der ETH Zürich, wo Einstein einst als Ordinarius für Physik lehrte, wird Studenten mit zündenden Ideen bereits am Ende des Masterstudiums der Weg zum Unternehmer nahegelegt. Die Universität unterstützt die Besten bei Patentierungskosten und Schulungen und stellt auch Büros zur Verfügung. Und so trifft man auf dem Campus 25-Jährige in der Zielgeraden zur eigenen Spin-off-Firma.

„Innovationsfähigkeit beginnt mit der Bildung“, sagt Staatssekretär Dell'Ambrogio. Die Bereiche Bildung, Forschung und Innovationspolitik wurden daher beim ehemaligen Polizeikommandanten des Kantons Tessin zusammengeführt. Der Einfluss auf die 26 Kantone im Schulbereich ist aber begrenzt: Bildungsfragen werden vor Ort geregelt, aktuell sucht man eine gemeinsame Linie.

Mit rund 2,4 Milliarden Euro geht ein Löwenanteil des Wissenschaftsbudgets an die Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne. Bei den anderen Unis zahlen neben dem Bund, der sich mit 1,3 Milliarden Euro beteiligt, auch die 26 Kantone einen Grundbeitrag. Bei der Budgetvergabe werden auch die Studentenzahlen berücksichtigt. Entscheidet sich ein Student für eine Uni in einem anderen Kanton, muss der eigene Kanton Ausgleichszahlungen leisten.

Die Vielfalt der Kantone gilt dabei klar als Vorteil: Die verschiedenen Zentren fördern den Wettbewerb genauso wie die Multikulturalität in der Wissenschaft, heißt es. Mehr als 50 Prozent der Forscher stammen aus dem Ausland. Eine Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ im Vorjahr trübte das Bild. Man habe immer ein offenes System gehabt, das intelligente Leute anziehe, beschwichtigt Dell'Ambrogio heute. Schließlich sei es die Vielfalt, die das System lebendig und innovativ halte.

Das breite Bekenntnis zur Spitze scheint jedenfalls unbestritten. „Politischer Pragmatismus“, der auch Marianne Hilf vom Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung, gefällt: „Es geht mehr um die Sache“, sagt die seit fünf Jahren in der Schweiz tätige Professorin für Strafrecht. Österreich sieht man hier allerdings noch kaum als Standort für Spitzenleistung: Es herrsche eher „willentliches Mittelmaß“, sagt ein Beobachter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2015)

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