Bank und Politik: "Alle müssen sich ändern"

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Einst waren Spekulationen der öffentlichen Hand gang und gäbe. Nun brauche man nicht nur strengere Regeln, sondern auch ein neues Bewusstsein, fordern Experten: Man dürfe bestimmte Deals nicht mehr abschließen.

Wien. Salzburger Finanzspekulationen, die Linzer Swap-Affäre oder gar die Causa Hypo: Der Umgang der öffentlichen Hand mit dem Geld der Steuerzahler war zuletzt eher suboptimal, um in der Politikersprache zu bleiben. Doch wieso gab es diese Kultur der riskanten Geschäfte? Und was kann man tun, um sie künftig zu verhindern? Eine Frage, die Experten beim letztwöchigen Rechtspanorama an der WU zu lösen suchten.

„Es war der Druck auf öffentliche Institutionen da, gut zu veranlagen“, schilderte WU-Professorin Eva Eberhartinger die Zeit vor Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008. Auch sie selbst habe einst als Vizerektorin für Finanzen diesen Druck verspürt. „Da habe ich mich selbst gefragt: Habe ich nicht die Verpflichtung, Erträge zu erwirtschaften?“, erzählte sie. Schließlich setzte die WU aber doch auf Festgeld. „Und wir sind damit gut gefahren“, sagte Eberhartinger bei der Debatte, die den Auftakt zum Österreichischen Juristentag bildete.

Der Stadt Linz erging es da weniger gut: Sie verspekulierte sich bei einem mit der Bawag PSK abgeschlossenen, komplizierten Swap-Deal. „Das war auch für uns ein Lernprozess“, schilderte Alexander Schall, Bereichsleiter Recht in dieser Bank und Lehrbeauftragter an der Uni Wien. Denn während private Kunden und Unternehmer nach Auftreten der Finanzkrise rasch eine Entscheidung gefällt hätten, habe die Stadt abgewartet. Und gerade durch Abwarten könne ein weiterer Schaden entstehen. „Eine Kommune schaut nicht zuerst auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Sondern darauf, was im politischen Hintergrund passiert.“

„Was mir auffällt, ist, dass die Politik sehr stark übersieht, dass sie Treuhänder des Bürgergelds ist“, meinte Markus Fellner, Rechtsanwalt und Bankenexperte. Die Stadt Linz habe aber selbst Bank gespielt. Und auch die Beträge, die landauf, landab auf dem Spiel stehen, seien bemerkenswert, gehe es doch auch in Salzburg um hunderte Millionen Euro.

Man müsse aber auch die Banken in die Pflicht nehmen, betonte Meinhard Lukas, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Linz und deren designierter Rektor. Lukas hatte im Prozess gegen die Bawag die Stadt beraten. „Die Banken haben zu den Zeiten, als das Linzer Geschäft abgeschlossen wurde, ganz offensiv der öffentlichen Hand Derivatgeschäfte angeboten“, sagte er.

Damals seien Banken davon ausgegangen, dass die öffentliche Hand eine unbegrenzte Haftungsbonität hätte. Daher sei es leichter gewesen, Deals mit Gebietskörperschaften abzuschließen als mit privaten Firmen, bei denen sich die Bank um hohe Sicherheitserfordernisse hätte kümmern müssen.

Druck zur Geldvermehrung

Es habe aber auch einen sehr starken Druck etwa vom Städtebund auf die Gemeinden gegeben, Geld gewinnbringend anzulegen, entgegnete Banker Schall. Und der damalige Linzer Finanzstadtrat habe sogar die Idee gehabt, dass die Stadt eine eigene Bank gründen solle. Derselbe Politiker habe dann aber im Swap-Prozess ausgesagt, dass das höchste Veranlagungsprodukt, das er verstehe, ein Sparbuch sei. „In diesem Umfeld ist es schwer, als Nichtpolitiker zu agieren“, resümierte Schall.

Im Prozess geht es um die Frage, ob die Bank die Stadt beim Abschluss des Deals ausreichend aufgeklärt hat. Dem sei so, sagte Schall. Fellner warf hingegen die Frage auf: „Wenn ich aufkläre und merke, das Vis-à-vis versteht das nicht – habe ich dann die Pflicht wirklich erfüllt? Oder müsste ich weiter aufklären?“

Was muss man nun tun, um Spekulationen mit Steuergeld künftig hintanzuhalten? Aus dem Europarecht lasse sich jedenfalls noch kein Spekulationsverbot ableiten, erläuterte Michael Potacs, Professsor für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der WU. Und das Verfassungsrecht sei ambivalent: Einerseits gebe es die Erlaubnis zu bestimmten Risken, so seien etwa Währungstauschkredite zulässig. Andererseits aber schreibe es auch die Pflicht vor, sorgsam zu wirtschaften. Linz habe schon an der Grenze des zulässigen Spielraums agiert, meinte Potacs. Er bedauerte, dass es nicht zu der zunächst politisch angedachten Präzisierung der Regeln, zu einem Spekulationsverbot, gekommen sei.

Abgeordnete brauchen Hilfe

„Alle Vorschläge sind absolut sinnvoll, aber man soll ihre Wirkung auch nicht überbewerten“, meinte Lukas zu den diversen Verbesserungsideen. So sei etwa nach dem Salzburger Finanzskandal gesagt worden, man müsse das Rechnungswesen auf doppelte Buchführung umstellen. „Auch ein doppisches Rechnunsgwesen kann aber nicht verhindern, dass Manipulationen passieren“, sagte Lukas.

Was es jedenfalls brauche, sei eine bessere Kontrolle. Bloß: „Die wenigsten Abgeordneten sind tatsächlich imstande, einen Rechnungsabschluss auf Risken zu untersuchen“, meinte Lukas. Im Nationalrat gebe es zwar Hilfe durch den Budgetdienst, aber speziell die Landtage brauchten mehr „fachliche Unterstützung“.

„Ich glaube, dass ein Spekulationsverbot wirkt“, meinte Eberhartinger zu dieser Idee. Und Transparenz sei auch wesentlich, sagt die Professorin, die zudem stellvertretende Vorsitzende im Aufsichtsrat der Bundesfinanzierungsagentur ist. Fellner regte an, dass etwaige strafrechtliche Verfahren gegen Politiker nicht dort, wo sie tätig sind, geführt werden sollten, sondern bei anderen Gerichten. Um eine etwaige Beeinflussung zu vermeiden.

Schall warf ein, dass es in Österreich generell an Wissen über Finanzfragen mangle. „Das ist etwas, was wir in der Ausbildung, aber auch im privaten Umgang besser überlegen müssen. Man muss sich fragen: ,Verstehe ich das? Versteht mein Gegenüber oder meine Bank das überhaupt?‘“ Auch Potacs plädierte für eine neue Bewusstseinsbildung: „Alle müssen die Einstellung ändern. Landesräte und Beamte dürfen sich nicht als Investmentbanker gerieren. Und umgekehrt dürfen Banker nicht mit allen Gebietskörperschaften Geschäfte machen wollen.“

AUF EINEN BLICK

Das Rechtspanorama an der WU fand vorige Woche zum Auftakt des 19. Österreichischen Juristentags statt. In der Diskussion zum Thema „Öffentliche Hand als Spekulant: Wer schützt die Steuerzahler?“ plädierten die Experten für eine neue Bewusstseinsbildung: Nicht jedes Geschäft sei für eine Gebietskörperschaft geeignet.

Der 19. Österreichische Juristentag beschäftigte sich in seinen vier Abteilungen – Öffentliches Recht, Zivilrecht, Strafrecht und Steuerrecht – mit aktuellen Themen wie Migration, Anlegerschäden, Strafrechtsreform und Einkunftsermittlung im Steuerrecht.

Rechtspanorama am Juridicum. Die nächste Diskussionsrunde der Reihe Rechtspanorama am Juridicum findet am 8. Juni statt.
Thema: „Warum noch Jus studieren – und wo?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)

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