In Wien regeln bis Juni hetero- und homosexuelle „Ampelpärchen“ den Fußgängerverkehr.
Sie sind rot und grün, so viel ist fix, und zwar weltweit. Aber sonst ist ihr Aussehen recht flexibel: In Frankreich sind sie schlank und groß, in Polen klein und gedrungen. Manche Ampelmännchen breiten die Arme aus, als würden sie uns den Weg versperren wollen, andere legen sie an, als stünden sie habt Acht. Und in Russland stemmen sie gar die Hände in die Hüften.
Normalerweise schenkt man ihnen wenig Beachtung, den Piktogrammen, die unseren Alltag takten, aber das kann sich schlagartig ändern: Als das beliebte DDR-Männchen – nur echt mit Hut! – ausgemustert werden sollte, ging die Bevölkerung auf die Barrikaden. Mit Erfolg. In Prag wurde 2011 ein Künstler zu einem Monat Haft verurteilt, weil er an Dutzenden Fußgängerampeln die Figuren ausgetauscht hatte: Seine Männchen pinkelten, tanzten und tranken. Und erst diesen Frühling entzweiten neue „Ampelfrauen“ die Deutschen Die einen schimpften über den „Genderwahn“, die anderen freuten sich über ein Ende des „Ampelpatriarchats“.
Jetzt ist Wien dran: Hier wurden am Montag die ersten Ampelpärchen montiert. 49 von ihnen sollen bis Juni den Fußgängern über die Straße helfen: Und weil es neben heterosexuellen Paaren auch homosexuelle gibt, soll dies für Toleranz werben. Anlass: der Song Contest mit Conchita Wurst, der Life Ball und die Regenbogenparade.
Die Welt der Ampelmännchen
Ein emanzipatorisches Programm also. Doch jeder Versuch, zeitgemäße Piktogramme zu gestalten, steht vor einem Dilemma. Wie nenne ich das weibliche Pendant zum Strichmännchen? Strichfrauchen etwa? Und wie stelle ich es dar? Sekundäre Geschlechtsmerkmale verbieten sich, sie müssten, um erkennbar zu sein, so überdimensioniert ausfallen, dass das Ergebnis sexistisch wäre. Also Zöpfe, wie in Deutschland? Oder ein Kleid? Aber wer sagt denn, dass Frauen Röcke oder Kleider tragen?
Es ist eine Zwickmühle: Strichmännchen werden nun einmal als männlich wahrgenommen, aber sobald man in Piktogrammen gendern möchte, muss man tief in die Mottenkiste greifen – und landet prompt beim Frauenbild der 1950er-Jahre.
Übrigens brechen die neuen Ampelpaare – zumindest die weiblichen, die am Montag beim Schottentor montiert wurden – noch mit einer anderen Tradition: Sie gehen nach rechts! Das mag uns seltsam erscheinen, doch genau so war es ursprünglich vom Erfinder, dem DDR-Verkehrspsychologen Karl Peglau, geplant. Dann aber waren die Oberen dagegen. Links ist die Zukunft. Nach links geht das Männchen.
Die FPÖ wirft der grünen Verkehrsstadträtin "ideologisch motivierte Geldverschwendungspolitik" vor. Die ÖVP sammelt indes unter dem Motto "Autofahrer sind auch nur Menschen" Unterschriften.
In wenigen Wochen sollen in Salzburg "Ampelpärchen" installiert werden. Für das Team Stronach eine "linkslinke Spinnerei", die Gefahrenquellen schaffe.