Film: Elser – ein Held, der Hitler fast erledigt hätte

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Oliver Hirschbiegels preisgekröntes Werk „Elser – er hätte die Welt verändert“ handelt vom knapp misslungenen Attentat von 1939. Ab 15. 5. im Kino.

Es ist Nacht in München. Man hört einen Mann schnaufen, er arbeitet schwer. Im Mund hat er einen Bügel, an dem eine Taschenlampe hängt. Nun wird erkennbar, dass er sich an einer Säule zu schaffen macht, die er ausgehöhlt hat, um dort Sprengstoff und einen Zeitzünder einzubauen. Langsam wird es hell, der Saal ist mit Hakenkreuzfahnen geschmückt, vor der Säule befindet sich ein Rednerpult. Der Mann ist der Schreiner Georg Elser, er ist gerade dabei, im Münchner Bürgerbräukeller die letzten Handgriffe für ein Bombenattentat zu machen. Seine Hände sind zerschrammt, später sieht man, dass er sich bei dieser Arbeit auch die Knie blutig geschunden hat. Elser ist ein Schmerzensmann.

Er hat sich vorgenommen, den deutschen Diktator Adolf Hitler zu töten, der am 8. 11. 1939 im Bürgerbräu auftreten wird. Hitler verlässt den Saal jedoch 13 Minuten vor der Detonation. Ihm wird während der Rede ein Zettel zugeschoben. Wegen Nebels ist sein Flugzeug nicht startklar. Der Führer macht sich mit seinen engsten Mitarbeitern verfrüht auf: Himmler, Bormann, Goebbels und Heß, die nah bei ihm gesessen sind, entgehen so wie Hitler dem Anschlag. Elser ist in diesem Moment bereits an der Schweizer Grenze. Er wird gefasst, man findet belastendes Material und sieht auch die Schrammen. Der Attentäter, der Deutschland vom Nazi-Spuk befreien wollte, wird nach Berlin gebracht, verhört und gefoltert, nach dem Geständnis ins Konzentrationslager gebracht. Kurz vor Kriegsende wird er 1945 in Dachau auf persönlichen Befehl Hitlers liquidiert.

Lebenslustig, sensibel, nicht zu brechen

Das ist der historische Rahmen, in dem sich Oliver Hirschbiegels Kinofilm „Elser – er hätte die Welt verändert“ befindet. Anders als Klaus Maria Brandauers Film „Georg Elser – einer aus Deutschland“ von 1989, der sich, mit dem Regisseur in der Hauptrolle, ausführlich mit der Vorbereitung des Attentats beschäftigt, ist dieser Aspekt bei Hirschbiegel nur das Vorspiel. Bei ihm steht das Verhör im Zentrum, aus der Perspektive Elsers gibt es dazu Rückblenden in dessen Leben ab 1932. Der Regisseur verknüpft eine Dorfgeschichte vom Aufstieg des Dritten Reichs mit Romantik und den Folterszenen als scharfem Kontrast. Beide Filme sind mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet worden. Zu Recht. Während Brandauer das Verdienst zufällt, die fast verdrängte Geschichte dieses Hitler-Gegners dramatisch in Erinnerung gerufen zu haben, schafft Hirschbiegel ein rustikales Sittenbild inklusive psychologischer Studie vom richtigen Leben im falschen.

Christian Friedel schafft es in der Rolle des Protagonisten, das Widersprüchliche glaubhaft zu vereinen: einen sensiblen Weiberhelden, der aber selbst unter schlimmster Folter nicht zu brechen ist. Man sieht anfangs einen lebenslustigen jungen Mann, der harten Verhältnissen im Dorf entkommen ist. 1932: In Konstanz arbeitet der ausgebildete Schreiner für einen Uhrmacher. Er ist beliebt bei den Frauen, spielt mit ihnen und auf der Harmonika: „Kein schöner Land in dieser Zeit“ singen die jungen Leute am See, doch das Land ist gerade dabei, sich hässlich zu verändern. Elser muss zurück nach Königsbronn, weil der Vater Hab und Gut vertrinkt. In Rückblenden sieht man zugleich den Aufstieg der NSDAP in diesem Ort. Elser steht Kommunisten nahe, die heroisch gezeichnet sind. Zugleich sieht man, wie sich seine Liebe zu Elsa (Katharina Schüttler) entwickelt, die mit einem brutalen Trinker verheiratet ist. Die Lovestory wirkt aufgesetzt.

Rohe Braunhemden, selbstlose Rotfront

Braunhemden sind tückisch, roh, das Volk sieht Misshandlungen begeistert zu, die Rotfront wirkt selbstlos, die Familie des Helden übt stummen Widerstand. Als die Nazis zum Erntedankfest einladen, mit einer Filmvorführung als Höhepunkt, stehen die Elsers nach dem Kirchgang schwarz gewandet am Rand und verweigern das Mitmachen. Bald ist klar: Dieser Mann ist zum äußersten Opfer bereit. In den Szenen in Berlin wird Elser zum Märtyrer, der sich nicht brechen lässt. Einmal summt er dabei wieder „Kein schöner Land . . .“ Zugleich erfährt man, wie systematisch brutal die Folterer vorgehen, mit Hypnose, Drogen, Sippenhaft und Vorführen der Geliebten, damit er Mittäter gestehe. Aber es gibt keine. Ehe Elser ausgepeitscht wird, bäuchlings auf ein Metall-Bettgestell gestreckt, ehe man ihm glühendes Eisen unter die Nägel drückt, wird eine Schüssel hingestellt – präventiv, wegen des Erbrechens, das die Tortur auslöst. Johann von Bülow spielt Gestapo-Chef Heinrich Müller eiskalt, während Burghart Klaußner in der Rolle des Kripo-Obersten Arthur Nebe sogar so etwas wie Respekt für den Attentäter aufbringt.

Nebe wird vor Kriegsende in Plötzensee selbst als Verschwörer hingerichtet. Fast zwei Minuten zeigt der Film, wie der Delinquent, am Draht hängend, mit den Füßen zuckt. Die Hinrichtung Elsers ist im Vergleich dazu gnädig kurz. Eben noch hat er musiziert und sich mit einem Wächter freundlich unterhalten. Da wird er am 9. April aus der Zelle geholt und sofort erschossen. 20 Tage vor der Befreiung Dachaus durch die US-Armee.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2015)

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