Coole Lehrer mit der Vision einer anderen Schule

(c) Die Presse (Georgia Meinhart)
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Sie arbeiten länger, und das freiwillig. Auch um wieder zufrieden im Job sein zu können.

LINZ. „Es ist kein großer Wurf“: Worauf sich Ministerin Schmied mit der Lehrergewerkschaft geeinigt hat, ginge an den Bedürfnissen der Schule vorbei, findet Georg Neuhauser: Schon längst brauche es andere Lösungen.

Neuhauser glaubt zu wissen, wie das gehen könnte. Immerhin: Der 56-Jährige, er unterrichtet Biologie, Physik und Chemie, hat Schule in Österreich bereits ein bisschen verändert: durch Cool (Cooperatives Offenes Lernen). Zumindest an 50 Schulen, zumindest für 1000 Lehrer und 20.000 Schüler.

Es fing alles damit an, dass Neuhauser von Linz nach Steyr zog, und, wie er heute sagt, „das gelobte Land, die AHS“, verlassen hat. „Ich bin dann in eine berufsbildende Schule, noch dazu in eine Handelsschule, regelrecht gestürzt, es war wie eine große Katastrophe für mich.“ Von den wohlbehüteten Kindern im Gymnasium wechselte er zu Schulklassen, die Neuhauser als „extrem heterogen“ bezeichnet: 15-Jährige saßen mit 17-Jährigen da vor ihm in einer Klasse, Kinder mit fremder Muttersprache, es gab soziale Probleme. Er habe nicht gewusst, wie er weiterarbeiten solle. Das ist lange her, etwa 15 Jahre.

Neuhauser trinkt Pfefferminztee in der Kantine im Souterrain, die ersten Gäste der jährlichen Tagung, die er moderiert, treffen bereits in der frisch renovierten Arbeiterkammer in Linz ein. Etwa 50 Lehrer der Cool-Community seien angemeldet, sie gehören zur „pädagogischen Avantgarde“, findet Neuhauser: „Es sind sehr engagierte Lehrer, die eine Vision von einer anderen Schule haben.“

Mehr Zeit in der Schule

Ein Blick auf die Uhr, er hat noch ein wenig Zeit. Unter dem hellblauen Hemd, über dem er ein altersloses graublaues Sakko trägt, blitzt ein Freundschaftsband hervor. Die schwarze Ray-Ban-Sonnenbrille, die dank Retrotrend wieder chic geworden ist, hat Neuhauser noch im Original. Während er sie sorgfältig in ihrer Hülle mit dem roten Innenfutter verstaut, spricht er vom schwierigen Start in der HASCH, der für ihn schließlich zu „einer radikalen Änderung“ führte. Er führte zu Cool, jener in Steyr gegründeten Initiative, die auf Anleihen aus der Montessori-Pädagogik und den Überlegungen der Reformpädagogin Helen Parkhurst zurückgeht. Kernstück im Unterrichtsalltag sind schriftliche fächerübergreifende „Assignments“, also Arbeitsaufträge, die Schüler in den Cool-Stunden, die bis zu einem Drittel der Unterrichtszeit ausmachen, bewältigen müssen. Wie sie es wollen, wann sie es wollen und – innerhalb der Schule – auch wo sie es wollen.

Am Anfang dieser Entwicklung stand die Absage ans Einzelkämpfertum – vor allem der Lehrer: „Teamsitzungen, Klassenratssitzungen und das Feedback auf die Arbeitsaufträge brauchen sehr viel Zusammenarbeit und Zeit. Auch mehr Zeit, die in der Schule verbracht wird, „und das wollen viele Lehrer nicht, weil sie es sich anders eingerichtet haben“. Aber gerade das sei eben auch das beste Mittel gegen Burn-out, „weil es die Vereinzelung ist, die viele Lehrer krank und frustriert macht“.

Der nächste Blick auf das Handgelenk, es ist zehn Uhr: Die Tagung beginnt. Am Nachmittag habe er den Workshop 9 gebucht, sagt Neuhauser noch, bevor er geht. Er könne ihn nur empfehlen. Auch Monika Tarmann von der Handelsakademie in Imst in Tirol ist vier Stunden später im Workshop 9, er heißt „Bewegen ist Vorfreude auf sich selbst“. Seit Cool freut sich Tarmann auch wieder auf den Unterricht. In der Pause erzählt sie, der Wunsch nach einer neuen Form der Pädagogik sei an ihrer Schule sehr ausgeprägt gewesen. Knapp die Hälfte des Lehrkörpers arbeitet in Imst nach der Steyrer Methode.

Selbstständige Schüler

Sie selbst sei nun zwar länger in der Schule, auch die Vorbereitung auf diese Form des Unterrichts sei besonders intensiv. „Aber die Schüler sind dadurch selbstständiger. Der Unterricht ist jetzt so viel entspannter, das Klima in der Schule und innerhalb des Teams um so vieles besser. Das wiegt den Mehraufwand bei Weitem auf, für mich zumindest.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2009)

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