Die Untergangspropheten haben Unrecht

Österreich und Osteuropa stehen wirtschaftlich besser da, als immer wieder behauptet wird. Grund zur Panik gibt es nicht.

Seit einigen Wochen haben Untergangspropheten Konjunktur. „Eastern crisis could wreck the eurozone“ („Financial Times“, 23. 2.), „... will lead to worldwide meltdown“ („Daily Telegraph“, 15. 2.) „Argentina on the Danube“ („Economist“, 20. 2.). Zuletzt übte noch Paul Krugman, der US-Starökonom, heftige Kritik am angeblich unzureichend deutlichen Konjunkturprogramm und sorgte besonders in Österreich für Aufsehen: wegen des Kreditrisikos österreichischer Banken in Osteuropa drohe der Alpenrepublik die Pleite.

Ich widerspreche diesen Thesen aus folgenden Gründen ganz klar:
Die österreichischen Unternehmen haben früh die Chance der Ostöffnung vor 20 Jahren und der vor fünf Jahren erfolgten EU-Beitritte unserer Nachbarn erkannt und erfolgreich genützt. 23 Prozent der österreichischen Exporte gehen heute in diese Region; sie haben sich seit 1989 vervierfacht. 20 Prozent des österreichischen Bruttonationalprodukts wurden hier investiert. Dies bringt Österreich tatsächlich ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 1 Prozent. Und nützt besonders dem Mittelstand und sichert viele Arbeitsplätze bei uns.
„Osteuropa“ sollte es auch für unsere transatlantischen Freunde nicht mehr geben. Tschechen, Slowaken, Polen, Slowenen und Balten, Rumänen haben sehr unterschiedliche wirtschaftliche Erfolge und Probleme. Sie wollen und dürfen sicher nicht als Bündelrisiko gesehen werden.
Natürlich stehen auch sie vor einer Wachstumsverlangsamung, aber mit keineswegs einheitlichen Aussichten. Gerade einige unserer wichtigsten Partnerländer werden sogar im heurigen Krisenjahr 2009 mit leichten BIP-Zuwächsen rechnen.
Hauptrisiko sind fehlende Liquidität und ein Rückgang der Kapitalflüsse. Dennoch werden heuer immer noch über 20 Milliarden Euro Direktinvestitionen in diese Region fließen. Gerade mal jeder achte österreichische Unternehmer will künftig auf die Bremse steigen, die Hälfte der österreichischen Investoren will im Osten mittelfristig sogar zulegen.
Drei Viertel der österreichischen Exporte und auch der Bankgeschäfte in dieser Region werden innerhalb der Union abgewickelt. Hier hilft natürlich auch die Entscheidung des Europäischen Rates am Frühjahrsgipfel, den Hilfsfonds für gefährdete Mitgliedstaaten auf 50 Milliarden Euro zu verdoppeln, sowie der Londoner G8-Beschluss, die IMF-Nothilfemittel auf 750 Milliarden Dollar zu verdreifachen.
Die österreichischen Banken haben verantwortungsvoll gehandelt und veranlagt. Sie können das Geschäftsvolumen von rund 200 Milliarden Euro in Mittel- und Osteuropa verkraften und werden die jetzige Krise genauso überstehen wie die Russland-Krise der 90er-Jahre oder die damalige Asienkrise.

Selbst Kreditausfälle in einem der Länder dieser Region werden daher durch andere Einlagen und Gewinne bzw. durch 15 Milliarden Euro Eigenkapitalstärkung als Teil des österreichischen Bankenpakets abgefedert.

Die österreichischen Bilanzergebnisse waren sogar 2008 sehr solide – als etliche US-Banken ziemlich hohe Verluste machten. Der Nettogewinn der Erste Bank betrug 860 Millionen Euro, der der Bank Austria 1,1 Milliarden, der von Raiffeisen International 980 Millionen Euro.
Manche Klischees sind außerdem völlig falsch. ZB., „Osteuropa“ sei eine insgesamt zu hoch verschuldete Region. Diese Länder (mit wenigen Ausnahmen) sind jedoch weit weniger verschuldet als Westeuropa. Oder: „Osteuropa“ (20 Länder inklusive Russland, Ukraine, Türkei) hätte 1,7 Billionen US-Dollar geborgt und müsse heuer 400 Milliarden Dollar zurückzahlen oder umschichten. Stimmt, aber Großbritannien alleine hat eine Exposure von 4,5 Billionen Dollar und muss heuer mehr umschichten oder rückzahlen.

Seit rund zwanzig Jahren ist die Ausrichtung der österreichischen Wirtschaft auf internationale Märkte zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte geworden. Die Ostöffnung und der spätere EU-Beitritt Mittel- und Osteuropas haben zweifellos die wesentlichsten Impulse dafür geliefert. Diese intensive Vernetzung aufgrund der derzeitigen Krise infrage zu stellen ist kurzsichtig und unrichtig. Die aktuelle Wirtschaftskrise führt uns deutlich vor Augen, wie eng die Volkswirtschaften heute miteinander vernetzt sind.

Schmunzeln darf man über die österreichische Fußnote von Krugmans angeblicher „Bankrott“-These Österreichs. Die Frage an ihn dazu kam bezeichnenderweise von einem österreichischen Journalisten, der dieses Wort verwendete – nicht Paul Krugman. In seinem Blog präzisierte der Nobelpreisträger später noch: „Is Austria doomed? Of course not ...“ Na also ... Das sind wir aber wirklich froh.

Interessant war übrigens ein Kommentar der „Financial Times“ vom 20. 4. 2009, in dem zu Recht gefragt wurde, wo denn die deutschen, österreichischen, europäischen Ökonomen seien, die eine eigenständige Stimme im Diskurs mit den US-Experten Krugman, Stiglitz, Roubini erheben können. Wie wahr!

Dr. Wolfgang Schüssel war von 2000 bis 2007 österreichischer Bundeskanzler, danach Klubobmann der ÖVP. Derzeit ist er ÖVP-Abgeordneter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Studie: Das halbe Geld für Essen

Ein ukrainischer Haushalte gibt im Schnitt 214 Euro pro Monat aus, ein slowenischer 1700 Euro.
Kommentare

Ein kleiner Rechenfehler

Uuups, ein Rechenfehler mit Folgen: Falsche Osteuropa-Zahlen des IWF haben die Staatsbankrottgerüchte um Österreich angeheizt.
Symbolbild
Österreich

Kundenfang: Deutsche Sparkasse warnt vor "Ostrisiko" Österreichs

Die bayerische Sparkasse Berchtesgadner Land warnt in einem Brief davor, Geld bei österreichischen Banken anzulegen. Diese seien durch "besonders hohes Kreditengagement in Osteuropa" betroffen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.