Ob die neue Matura den Unterricht tatsächlich positiv verändert, sei noch offen, sagt Reinhard Winkler. Bisher fehlte oft das Verständnis.
Die Einführung der Zentralmatura in Mathematik ist für Reinhard Winkler vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der TU Wien eine Chance für eine grundlegende Veränderung des Mathematik-Unterrichts. Die bisherige Reifeprüfung habe sich oft auf das Abliefern einer "eingeübten Dressurnummer" - auf zwar hohem Niveau, aber ohne tieferes Verständnis - beschränkt.
Aus diesem Grund könne "die neue Matura fast nicht schlechter als die bisherige sein". Denn früher wurden vielerorts "Potemkinsche Dörfer" nach einem eintrainierten Bauplan aufgebaut, erklärte Winkler, der an der TU auch Einstiegsvorlesungen in Lehramtsstudien hält. Eine Prüfung sieht er als mächtiges Steuerelement, um den Weg dorthin - also den Unterricht - zu verändern. Denn darum gehe es im Grunde.
Ziel: Inhalte ungefähr richtig einordnen
Ein Fernziel der neuen Matura sei es, Verständnis für die Mathematik dahin gehend zu fördern, dass Absolventen die Fähigkeit erwerben, im Gespräch mit Experten Inhalte ungefähr richtig einordnen zu können. Klarerweise gebe es in der Mathematik Kerninhalte, von denen man eine Ahnung haben sollte, aber auch die Unis bräuchten in erster Linie "Leute, die denken können". Gelinge die Vermittlung dieses Anspruchs, "hat Österreich auch im internationalen Vergleich einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht", zeigte sich der Experte überzeugt. Ob das mit der neuen Matura auch tatsächlich gelingt, sei allerdings noch offen.
Als ehemaliges Mitglied der Zentralmatura-Steuergruppe des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) für Mathematik hat Winkler viele potenzielle Aufgaben für die neue Reifeprüfung analysiert - teilweise eine "leidvolle Erfahrung". Aus einigen Beispielen habe noch ein arriviertes Verständnis der Mathematik gesprochen, der Großteil sei aber sehr engagiert und innovativ gestaltet gewesen.
"Früher war alles besser" ist sinnlos
Schön wäre es laut Winkler, wenn es gelinge, mit den Aufgaben "das Lebendige" und das gesellschaftliche Potenzial der Mathematik zu illustrieren. Dazu müsse das Projekt stetig, aber ohne große Umbrüche weiterentwickelt werden. Ob der Größe und Komplexität des Projekts sei klar, dass es immer wieder auch Probleme gebe. Bis die Ansprüche tatsächlich erreicht werden und sich auch der Unterricht zum Besseren verändert, werde aber noch einige Zeit vergehen. Diskussionen unter der Argumentationsgrundlage "Früher war alles besser" seien aber sinnlos.
(APA)