Der VP-Obmann verteidigte am Parteitag die Steuerreform, dachte laut über eine Privatisierung des ORF nach und stellte den Kanzleranspruch.
Parteichef Reinhold Mitterlehner hat seine Abschlussrede zum zweitägigen "Programmparteitag" der ÖVP am Mittwoch hauptsächlich dem Thema Wirtschaft gewidmet. Nachdem er mit der Titelmelodie auf Italo-Westerns "Django" (so lautet auch sein Couleur-Name) auf die Bühne gerufen wurde, zeigte sich geradezu euphorisiert. "Das war einer der schönsten Tage in der Politik, den ich je erlebt habe", verwies er auf den Beschluss von Grunbdsatzprogramm und Statut am Dienstag. Generell habe er "in meinem Leben noch nie einen so positiven Parteitag erlebt".
Kritik übte er anschließend an der medialen Berichterstattung über den ersten Teil des Parteitags am Dienstag. Auf die Frage in der gestrigen "Zeit im Bild 2", was "das Mutigste" im neuen Programm der ÖVP sei, hätte er, so Mitterlehner, am liebsten geantwortet: "Die mutigste Idee wäre die Privatisierung des ORF." Auch einen Blick nach Griechenland gönnte er sich in diesem Kontext: Dort habe die Politik nicht vieles richtig gemacht, aber die Privatisierung des staatlichen Rundfunks habe funktioniert.
Österreich "wird langsam durchgereiht"
Große Teile seiner Rede widmete der Vizekanzler der schlechten Wirtschaftslage. Er machte darauf aufmerksam, dass "Österreich auf die Kriechspur" gerate und beim Wachstum und der Arbeitslosigkeit zurückfalle. "Die Kriechspur ist das, wo die anderen anfangen zu überholen." Österreich werde beim Wachstum und der Arbeitslosigkeit überholt. "Langsam werden wir durchgereiht", so Mitterlehner.
Dem müsse man entgegensteuern. "Da genügt es aber nicht, dass ich am 1. Mai den Tag der Arbeit hochleben lasse; so hoch, dass er mich möglichst nicht erwischt", sagte der VP-Chef in Richtung SPÖ und legte mit einem weiteren Seitenhieb gegen das rot regierte Wien nach: Hier gebe es einen drei Kilogramm schweren Katalog mit 1500 Zulagen, und eine davon nenne sich "die Mindestsicherungs-Bearbeitungszulage", scherzte Mitterlehner. Aber in der Bundeshauptstadt gelte ja das Zitat von Karl Kraus: "Was kümmert mich der Vergleich. Ich lebe nicht im Vergleich, ich lebe in Wien."
Begeisterten Applaus erntete Mitterlehner auch für seine Ansage, zum 75. Geburtstag der ÖVP, die ja heuer 70 geworden ist, "den Bundeskanzler" haben zu wollen.
Rasche Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters
Um nicht auf die schiefe Ebene zu geraten, müsse man für die Konjunktur etwas bewegen, und das würde mit der Steuerreform passieren, so Mitterlehner. Jenen in der ÖVP, die mit der Reform unzufrieden sind, rief er in Erinnerung, dass man ja "Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer verhindert" habe. Von den von der SPÖ gewünschten zwei Milliarden Euro an vermögensbezogenen Steuern seien "nur 35 Millionen Euro bei der Grunderwerbssteuer übrig geblieben".
Weiters sprach sich Mitterlehner für eine rasche Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters aus. Wenn die Politik in diesem Bereich nicht tätig werde, werden die staatlichen Zuschüsse für die Pensionen von derzeit zehn sehr bald auf 19 Milliarden Euro ansteigen. "Damit geht uns das Geld für andere Investitionen ab. Deswegen brauchen wir eine wirkliche Pensionsreform."
Darabos: "Selbstaufgabe schwarzer Wirtschaftspolitik"
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos übte am Mittwoch Kritik an der Rede Mitterlehners. Es sei eine "Selbstaufgabe schwarzer Wirtschaftspolitik", dass der ÖVP-Obmann als zuständiger Minister die österreichische Wirtschaft auf der "Kriechspur" sieht. Die ÖVP stelle seit 1986 ununterbrochen den Wirtschaftsminister - seit 2008 heißt dieser übrigens Mitterlehner. Der Sager des ÖVP-Obmanns sei somit als Selbstkritik zu verstehen.
(APA)