Ex-Tschetnik-Führer rehabilitiert: Empörung auf Balkan

Unterstützer von Draza Mihailovic feiern dessen Rehabilitierung in Serbien.
Unterstützer von Draza Mihailovic feiern dessen Rehabilitierung in Serbien.(c) REUTERS
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Draza Mihailovic wurde gerichtlich rehabilitiert. Viele Menschen sind empört. Die kroatische Regierung spricht von einem Versuch Geschichte zu revidieren.

Die Rehabilitierung eines ehemaligen königlich-jugoslawischen Offiziers und Tschetnik-Kommandanten im Zweiten Weltkrieg hat in Serbien und darüber hinaus Empörung ausgelöst. Begeisterung war allerdings bei serbischen Nachkommen der Anhänger von Draza Mihailovic zu spüren.

Die Rehabilitierung per Gerichtsentscheid sei kein Schritt zur Versöhnung, sondern zur Vertiefung ideologischer Spaltungen, analysierte der serbische Außenminister Ivica Dacic.

Vuk Draskovic, einer seiner Vorgänger, vertrat eine ganz andere Meinung: Nach sieben Jahrzehnten sei die historische Wahrheit über Mihailovic nun klargestellt worden, glaubt der Chef der oppositionellen Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO).

Innenminister Nebojsa Stefanovic sagte, er sei als Nachkomme eines kommunistischen Partisanenkämpfers, der im Oktober 1944 an der Befreiung Belgrads beteiligt war, mit dem Gerichtsurteil unzufrieden.

Historische Wahrheit "drastisch" verändert

Mit der Rehabilitierung des Tschetnik-Kommandanten habe sich Serbien auf die Seite der unterlegenen Mächte im Zweiten Weltkrieg gestellt, kommentierte das Belgrader Helsinki-Komitee für Menschenrechte. Die historische Wahrheit sei "drastisch" verändert worden, ließ der serbische Altkämpferverband der Partisanen wissen.

Empörung nach dem Gerichtsurteil, das einen 2006 eingeleiteten Marathonprozess beendete, wurde auch in Kommentaren einfacher Bürger deutlich. "Ich kann es nicht glauben", zeigte sich Marija schockiert. Ihre Tante sei von Tschetniks schwer gefoltert und ermordet worden. Fast ausschließlich negative Kommentare waren am Freitag in der Früh in einer Sendung des staatlichen Rundfunks RTS von zugeschalteten Zuhörern zu hören.

Die Rehabilitierung Mihailovic' könnte das Wiedererwachen vergangenen Übels bewirken, warnte in Sarajevo Raif Dizdarevic, einstiger Partisanenkämpfer und ehemaliger Präsident des jugoslawischen Staatspräsidiums.

Kroatien verurteilt Rehabilitierung

Die kroatische Regierung verurteilte die Rehabilitierung als einen "falschen und inakzeptablen" Versuch, die Geschichte zu revidieren. "Die Tschetnik-Bewegung, angeführt von Draza Mihailovic, war auf der Seite des Bösen, kollaborierte mit den faschistischen und nazistischen Mächten und wurde im Zweiten Weltkrieg besiegt. Keine Gerichtsentscheidung kann diese Tatsachen verändern", hieß es.

Auch Kroatiens Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic verurteilte einen Versuch des "Geschichtsrevisionismus". Keine Gerichtsentscheidung könne die Übeltaten der Tschetnik-Bewegung auslöschen, so die Präsidentin. "Kroatien hält den Tschetnik-Kommandanten Draza Mihailovic nach wie vor für einen Kriegsverbrecher", hieß es aus dem Außenministerium in Zagreb.

"Bleibt ein Verbrecher"

Kein Blatt vor den Mund nahm sich auch der kroatische Justizminister Orsat Miljenic, der die Rehabilitierung des Tschetniks-Führers mit einer Rehabilitierung Hitlers oder Mussolinis verglich. "Für uns war Draza Mihailovic ein Verbrecher, und er bleibt ein Verbrecher. Er war ein Faschist und Punkt", sagte er und nannte die Rehabilitierung "einen großen Fehler". An Serbien liege es, ob es seine Zukunft wie das ganze Europa auf Antifaschismus oder auf etwas Anderem bauen wolle, fügte er hinzu.

Ganz anders denkt einer der engsten Rechtsberater des serbischen Staatspräsidenten Tomislav Nikolic. Die Rehabilitierung von Mihailovic müsste auch in Kroatien gefeiert werden. In Mihailovic' Einheiten hätten rund 10.000 Kroaten, 8.000 Muslime und 6.000 Slowenen gekämpft, so das Argument des umstrittenen Präsidentenberaters Oliver Antic.

Das Belgrader Gericht habe sich nicht mit der Rolle der Tschetniks im Befreiungskampf und auch nicht damit befasst, ob Mihailovic ein Kriegsverbrecher oder ein Held gewesen sei, stellte die Tageszeitung "Blic" am Freitag fest. Das serbische Verfassungsgericht hatte im September 2012 entschieden, dass die Tschetniks keine Teilnehmer am Volksbefreiungskampf im Zweiten Weltkrieg gewesen seien.

Auf einen Blick

Nach einem neunjährigem Verfahren rehabilitierte ein Belgrader Gericht am Donnerstag den 1946 von den Kommunisten erschossenen Mihailovic. Laut Gericht war das damalige Gerichtsverfahren "aus politischen und ideologischen Gründen ungesetzlich". Mihailovic war von 1941-1943 Kriegsminister der Exilregierung des Königreichs Jugoslawiens. Seine großserbischen Verbände (Tschetniks) kämpften im Zweiten Weltkrieg nicht nur gegen die deutschen Besatzer, sondern auch gegen die kommunistischen Partisanen des späteren Staatsgründers Josip Broz Tito.

(APA)

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