Elmautal: Die Quellen körperlichen Gedeihens

Der G7 Gipfel 2015 findet am 7 und 8 Juni auf Schloss Elmau statt Bayern Oberbayern Deutschland
Der G7 Gipfel 2015 findet am 7 und 8 Juni auf Schloss Elmau statt Bayern Oberbayern Deutschland(c) imago/Peter Widmann
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Die Hotels sind ausgebucht, aber kaum Urlauber da. Rund um den G7-Gipfel in den bayerischen Bergen geht's ziemlich eigenwillig zu.

Johannes Müller war ein gebildeter und weitsichtiger Mensch. Er studierte Philosophie und Theologie, promovierte und gründete eine „Pflegestätte persönlichen Lebens“. Im einsamen Elmautal in den bayerischen Bergen direkt an der Grenze zu Tirol bei Seefeld fand er vor über 100 Jahren eine passende romantische Wirkungsstätte für seine Ideen. „Nicht bloß eine Auffrischung der Nerven, sondern eine Gesundung ihres ganzen Organismus können Sie hier finden, wenn Ihnen der Blick aufgeht für die Erlösung Ihres Körpers, für naturgemäßes, menschenwürdiges Leben, für die Gesetze und Quellen körperlichen Gedeihens“, versprach er der nach Lebenssinn und Entspannung strebenden Kundschaft.
Eine betuchte Mäzenin ermöglichte ihm, ganz hinten in dem Tal das Schloss Elmau zu bauen, das zu einem Treffpunkt von Künstlern und Intellektuellen wurde. In dem engen Tal zu Füßen des Wettersteingebirges gefiel es damals auch der ebenso wohlhabenden wie kunstsinnigen Engländerin Mary Portland, die auf halbem Wege das Schloss Kranzbach errichten ließ, wo sie aber wegen des Ersten Weltkriegs nie selbst logieren konnte. Nach dem Krieg wurde Müller wegen seiner Nähe zu den Nazis verurteilt, Elmau zum Erholungsheim umfunktioniert.

25.000 Einsatzkräfte

Heute sind die beiden Schlösser exklusive Hotels und verschaffen dem Elmautal einen ganz eigenen elitären Charakter – eine Kombination aus Naturerlebnis und Luxuslogis, was sich von dem üblichen Standard in der Karwendelregion deutlich abhebt. Schloss Elmau wurde nach einem Großbrand 2005 zu einem Fünfsterne-Superior-Palast ausgebaut, und in Kranzbach sorgte ein Innsbrucker Unternehmensberater dafür, dass das britische Schloss um einen umfangreichen Spabereich und moderne Zimmer erweitert wurde.

Mit der Ruhe ist es derzeit allerdings vorbei. Seit Wochen und Monaten wird gebaut im hintersten Tal, Lastwagen und Bagger kurven auf dem Talboden, flankiert von unzähligen Polizeifahrzeugen. Der G7-Gipfel wirft seine Schatten voraus. Vom 7. auf den 8. Juni gastieren die Staatschefs in Elmau, bleiben ganze 36 Stunden, was nicht viel ist im Vergleich zu den vier bis fünf Wochen, die die 25.000 Einsatzkräfte in der Region stationiert sind. Rund 5000 deutsche Polizeibeamte haben ihr Quartier bei den Nachbarn in Tirol. „Unser Hotel ist zu 90 Prozent mit deutschen Polizisten belegt“, sagt Anne Foechterle vom Viersternehotel Lärchenhof in Seefeld. Einen nachhaltigen Werbeeffekt sieht man im Lärchenhof bestenfalls bei den Logisgästen in den Hotels.

Nach dem G7-Gipfel werden die deutschen Sicherheitskräfte von rund 2000 österreichischen Polizisten unterstützt, die auch noch mit dem Treffen der Bilderberger zu tun haben. Dabei handelt es sich um eine Vereinigung von Spitzenpolitikern und Topmanagern, die oft als Geheimbund gehandelt wird und der man nachsagt, dass dort die wirklich wichtigen Entscheidungen getroffen würden. Erfahren wird man das aber kaum, denn über das Treffen im einsamen Interalpen-Hotel Tyrol oberhalb von Telfs herrscht konsequentes Stillschweigen.

Weiträumige Umfahrungen

Viele Schaulustige wird es beim G7-Gipfel nicht geben. Das liegt nun nicht nur an den wenigen verfügbaren Zimmern, sondern auch an den vermutlich eher schwierigen Verkehrsverhältnissen. Wie schwierig die dann sein werden, das weiß so genau keiner. Wer in Nord-Süd-Richtung unterwegs sein wird, was während der bayerischen Pfingstferien einige Zehntausend sein werden, dem empfehlen die offiziellen Stellen die weiträumige Umfahrung. Wer es trotzdem direkt versucht, muss sich zwischen Seefeld auf der Tiroler Seite und Walchensee und Kochelsee auf der bayerischen Seite durchschlagen. Die Straße nach Garmisch-Partenkirchen soll für den Durchgangsverkehr gesperrt und auch die Bahnverbindungen dürften nachhaltig reduziert werden.

Wer sich nach dem Gipfel auf die Spuren von Barack Obama, Angela Merkel und Francois Hollande begeben will, der findet hier im bayerisch-tirolerischen Grenzgebiet ein sehr abwechslungsreiches Angebot. Da ist auf der Tiroler Seite die Olympiaregion Seefeld, die eher sportlich ambitioniert ist und vor allem von Wanderern und Bikern besucht wird. Zum Grenzort Mittenwald, der für seine Geigenbauertradition, für die historischen Häuserensembles mit den bunten Lüftlmalereien und für seine gut gepflegten Bräuche und Traditionen bekannt ist, sind es nur wenige Kilometer.

Unaufgeregt bayerisch

Die Alpenregion Karwendel, zu der neben Mittenwald auch Krün und Wallgau gehören, ist eine bodenständige Region, in der das klassisch Bayerische dominiert, dessen Angebot im Prinzip ohne Luxus auskommt und von den Gästen vor allem wegen seiner offenen und sonnenreichen Lage geschätzt wird. Es gibt hier nichts Spektakuläres, Extremes. Hier leben die Menschen ohne großes Aufsehen, sind die Gasthäuser und Hotels auf eine unauffällige und verbindliche Art bayerisch traditionell. Das ändert sich aber bald, wenn man in Klais die Bundesstraße von Garmisch-Partenkirchen nach Mittenwald verlässt und vorbei am alten Gasthof Post südwärts zur Mautschranke fährt. Dahinter beginnt die Reise in das Elmautal, in eine andere Welt. „Das ist ein Platz für reisende Ästheten“, sagt Dietmar Müller-Elmau, der Hausherr auf Schloss Elmau. Er propagiert das urbane Leben mitten in der Natur. „Wenn jemand nur Natur will, geht er auf eine Hütte und nicht in so ein Hotel.“ Hier in Elmau genauso wie in Kranzbach ist nichts wirklich bayerisch, weder bei den Möbeln noch in der Küche. Wäre da nicht das mächtige Wettersteingebirge, das eine natürliche Grenze zwischen Bayern und Tirol zieht, könnte das Tal irgendwo sein. In der Schweiz, Italien oder sonst wo in den Alpen.

Über mangelnde Werbeeffekte muss sich Müller-Elmau nicht beklagen. Täglich laufen Berichte in den Medien über die Gipfelvorbereitungen. Die Politgrößen werden in dem neuen Retreat in großzügigen Suiten logieren. Für stilgerechtes Ambiente sorgen Möbel von B&B Italia, Poltrona Frau, Lambert Home und Kokon, dazu feinste Stoffe von Andrew Martin, B&B und JAP sowie eigens geknüpfte Teppiche aus dem Iran und Lampen von Enzo Catelani.

Schachenhaus im Orientstil

Wer beim G7-Treffen wo schläft, um diese sensible Frage muss sich der Hausherr nicht kümmern, das erledigen Protokollchef, Auswärtiges Amt und die Institutionen der jeweiligen Regierungschefs. Müller-Elmau schmiedet bereits neue Pläne. Er will etwas weiter hinten im Tal, wo die Straße steil hinauf führt zum einsamen Schachenhaus, das sich Ludwig II. im orientalischen Stil bauen ließ, elf luxuriöse Lodges bauen, die 2016 eröffnet werden sollen und die es zu mieten oder zu kaufen gibt. Da könnte sich im Umfeld des Gipfels schon der eine oder andere Interessent ergeben.

Im Rathaus von Krün, das dank des Gipfels eine schnelle, unbürokratische Renovierung erfuhr, hat man andere Pläne. Mit Nobeltouristen wie im Elmautal rechnet Bürgermeister Thomas Schwarzenberger nicht. Einen touristischen Effekt erhofft er sich von den 25.000 Einsatzkräften, die nun in der Region stationiert sind. „Die könnten ja auch privat als Urlaubsgäste wiederkommen“, hofft Schwarzenberger. Das könnte sich auch drüben in Seefeld ausgehen, wo 4000 deutsche Polizisten einquartiert sind. Denn mit dem Bilderberger-Treffen wird sich in Tirol kaum Werbung machen lassen. Dazu ist es einfach zu geheim.

schloss-elmau.de

daskranzbach.de

alpenwelt-karwendel.de

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