Mit Kenny macht Aufräumen Spaß

Spielen ja, aufräumen nein. Roboter Kenny - ein TU-Wien-Projekt - könnte Abhilfe schaffen.
Spielen ja, aufräumen nein. Roboter Kenny - ein TU-Wien-Projekt - könnte Abhilfe schaffen.(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Robotik. Das Kinderzimmer als Testfeld: Hier sollen Roboter lernen, auf Chaos und Unordnung zu reagieren. Der Prototyp Kenny ist in einem Wiener Kindergarten bereits im Einsatz.

Das Ziel der Forschungen soll ja nicht sein, dass Kinder nicht mehr selbst aufräumen“, sagt Michael Zillich vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien. Sein Team leitet das EU-Projekt „Squirrel“, bei dem ein kleiner Roboter lernt, ein Kinderzimmer aufzuräumen.

Der Gedanke dahinter ist simpel. „Bisher können Roboter nicht gut mit Dynamik und Chaos umgehen. In einer Industriehalle läuft immer alles gleich ab, nichts ist unordentlich, dort funktioniert Robotik ausgezeichnet. Haushaltsroboter hingegen fahren nur zufällig herum und werden von umherliegenden Gegenständen eher behindert“, sagt Zillich: „Ein Staubsauger-Roboter wird bei einem Socken am Boden entweder stehen bleiben oder ihn einsaugen. Von einem echten Butler-Roboter im Haushalt sind wir noch weit weg.“

Für dieses EU-Projekt überlegten also die Forscher aus Österreich, Deutschland, England und den Niederlanden, wo das größte Chaos herrscht, um Roboter auf Situationen zu trainieren, die sich ständig verändern. Die Antwort: „Im Kinderzimmer.“ Das EU-Projekt läuft seit einem Jahr und ist bis 2018 geplant. Der erste Prototyp des Aufräum-Roboters existiert bereits und ist in einem Kindergarten in Wien Penzing im Einsatz.

Kleiner als ein Dreijähriger

Der Roboter ist in seiner jetzigen Form als Prototyp etwas kleiner als ein dreijähriges Kind. „Die Kindergartenkinder waren anfangs enttäuscht, dass der gelieferte Roboter nicht sehr menschlich aussieht. Aber als sie gesehen haben, wie er auf ihre Anweisungen reagiert, waren sie begeistert. Sie haben ihn Kenny getauft“, erzählt Zillich.

Der „Fuß“ des Roboters ist eine runde dicke Scheibe, die wie ein Staubsauger-Roboter aussieht. Darauf sind Antriebselemente und Rechner montiert. An einem langen „Hals“ ist die 3-D-Kamera befestigt, die das Umfeld erfassen soll. Dieser Kopf kann nach oben und unten schauen, um den ganzen Raum zu scannen. Ein Laser-Entfernungsmesser passt auf, dass der Roboter sich im Raum richtig orientiert und Abstände korrekt einschätzt.

Bisherige Haushaltsroboter können nur wenige einzelne Objekte, die am Tisch liegen, erkennen und unterscheiden. Kenny soll aber eine große Menge von Gegenständen klassifizieren können, sie aus einem großen Haufen entfernen und an den dafür bestimmten Platz befördern. Auch Menschen analysieren einen großen Haufen Spielsachen nicht vollständig auf den ersten Blick. Aufräumen beginnt, indem man einfach zugreift und das erste Stück herausnimmt.

Diese Strategie soll dem Roboter nun beigebracht werden. „Wir Elektrotechniker müssen dazu kluge Vereinfachungsstrategien überlegen, die das Gerät beherrschen kann“, sagt Zillich. Wenn der Roboter ein Ding aus dem Haufen nimmt, purzelt vielleicht einiges auseinander: Dadurch wird die Situation aber übersichtlicher, der Roboter kann weiterarbeiten. Die Forscher entwickeln nun einfache Algorithmen, die im Kamerabild des Roboters sehr schnell die interessanten Objekte identifizieren.

Die Kinder sind derzeit damit beschäftigt, Kenny ein Objekt nach dem anderen zu zeigen und ihm per Geste mitzuteilen, wo es hingehört: zum Beispiel der Ball in die rote Kiste oder das Spielzeugauto in das Eck hinter der Tür. „Die Lernphase des Roboters wird nie enden“, sagt Zillich. „Je mehr man ihm zeigt, desto mehr lernt er.“ Und das Wichtigste: Der Roboter muss verstehen, dass die Objekte jeden Tag anders liegen können oder ihm Leute durch den Weg laufen. Denn das ist das langfristige Ziel dieses Projekts: ein Haushaltsroboter, der selbst aufräumt, bevor er weiterputzt. Der die Socken zur Schmutzwäsche bringt und den Ball ins Kinderzimmer, bevor die Brösel unter dem Tisch gesaugt werden.

Befehle über Gesten geben

Kenny hat in der jetzigen Version noch keine Arme, er schiebt also die Gegenstände bloß an die vorgesehenen Stellen. „Der Greifarm wird dieses Jahr noch geliefert, das Team um Justus Piater der Uni Innsbruck ist der Partner für die Technik des Greifens und Ablegens“, sagt Zillich. Die Anweisungen an den Roboter funktionieren hauptsächlich über Gesten: „Denn Sprachsteuerung funktioniert nicht in einem Raum, wo zehn Leute gleichzeitig reden. Der Roboter schaut in unserem Fall einen Menschen an und der deutet ihm, wo er das Objekt ablegen soll.“

Wichtig sind auch die psychologische und pädagogische Seite: Erstens helfen Modelle der Kognitionspsychologie, um den Roboter und die Steuerung seiner Aufmerksamkeit richtig zu programmieren. Zweitens ist es spannend, wie Kinder mit einem nicht-menschlichen Zimmergenossen interagieren.

„Die Mensch-Roboter-Interaktion muss immer so gestaltet werden, dass man vernünftig mit den Geräten umgehen kann. Vor allem, wenn diese künftig selbstständig in unseren Wohnungen unterwegs sind“, so Zillich. Erst durch die Beobachtung der Kinder kann man das Roboterverhalten korrekt programmieren, damit er nicht „stur seine Sache macht“, sondern auf sein Umfeld reagiert.

„Daher ist der Test im Kindergarten wie ein Spiel angelegt, Kenny soll alle Kinder um ihn herum in das Spiel einbinden.“ Er soll eben nicht die gesamte Arbeit des Aufräumens den Kindern abnehmen, sondern sie im besten Fall dazu animieren, dieser Tätigkeit etwas mehr Wertschätzung entgegenzubringen.

LEXIKON

Ein Algorithmus besteht aus vielen wohldefinierten Einzelschritten und hat die Lösung eines Problems zum Ziel. Der erste Computeralgorithmus wurde bereits 1843 von der britischen Mathematikerin Ada Lovelace erfunden, noch bevor es Computer gab.

Vereinfachung: Die Arbeit der Informatiker ist nun, Strategien zur Vereinfachung von Problemen zu entwickeln und diese in Algorithmen zu übersetzen, die als Handlungsanweisung den Roboter steuern. Auch der Vorgang des Lernens eines Roboters ist über Algorithmen festgelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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