Der Alpha-Mann von Donezk

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Alexander Chodakowskij, Ex-Offizier der Spezialeinheit Alpha, gründete im Vorjahr das Bataillon Wostok und bereitete maßgeblich die Bewaffnung der ostukrainischen Separatisten vor. Heute ist er Chef der Staatssicherheit in Donezk.

Unter dem dekorativen Nippes, der auf Alexander Chodakowksijs Holzschreibtisch in Reih und Glied steht, ist eine handtellergroße Büste. So klein, dass man sie fast übersehen würde. Auf dem Tisch steht sie zu seiner Linken, nicht weit entfernt von der Eule, dem Symbol für Weisheit, den Blick auf ihn gerichtet. Ist es Lenin? Stalin gar?

Chodakowskij nimmt die Plastik in die Hand und dreht den Kopf um: Es ist Felix Dserschinskij. Der allseits gefürchtete Gründer der bolschewistischen Geheimpolizei, der sogenannten Allrussischen Außerordentlichen Kommission im Kampf gegen Konterrevolution, Spekulation und Sabotage, wie die Einrichtung in der sowjetischen Diktion der Wortungeheuer hieß, kurz Tscheka. Es war Dserschinskij, der den Arbeitsauftrag für die Tschekisten ausgegeben hat, den Chodakowskij jetzt zitiert: Ein „heißes Herz, einen kühlen Verstand und saubere Hände“ sollten die Mitarbeiter der Staatssicherheit haben. Das sei nach wie vor eine „wichtige Devise“, sagt der 42-Jährige, noch fast 100 Jahre später, im Hier und Heute, in der Donezker Volksrepublik (DNR).

Konflikt auf Sparflamme

Von Chodakowskijs Büro im fünften Stock eines Sowjetbaus blickt man auf den Lenin-Platz mit seinem Lenin-Denkmal hinab, auf den schnurgeraden Artjom-Prospekt und die verspiegelten Bürotürme aus der Janukowitsch-Ära. Chodakowskij, ein Nachfolger Dserschinskijs in sandfarbener Militäruniform, die an ihm wie Freizeitkleidung wirkt, wacht über die Sicherheit der kleinen Republik mit ihren geschätzten 2,3 Millionen Einwohnern. Sie hat sich im Vorjahr von der Ukraine losgesagt und ist nun in einen kriegerischen Konflikt verwickelt, der nicht glühend heiß ist, aber auch nicht abkühlen will.

Es sind Männer wie Chodakowskij, die vor Ort den Bestand der DNR sichern. Sein ganzes Leben hat er im Geheimdienst gedient, früher als Kommandant der Spezialeinheit Alpha des ukrainischen Geheimdienstes im Gebiet Donezk. Jetzt ist er Chef des Sicherheitsrates, oberster Geheimdienstler der Volksrepublik. Ein Emblem am linken Arm seiner Jacke erinnert an die Alpha-Jahre: der Buchstabe A vor einem Schwert. Chodakowskij lächelt, ein bisschen Nostalgie wird doch erlaubt sein. „Das Schwert zeigt nach unten“, sagt er dann, wieder ernst. „Es verteidigt seine Position, greift aber nicht an.“

Folgt man Chodakowksij in seiner Darstellung der Ereignisse vor einem Jahr, dann haben Männer wie er nie einen bewaffneten Aufstand angezettelt. Sie haben sich nur verteidigt, gleich dem Alpha-Symbol. Und doch ist der 42-Jährige eine Schlüsselfigur auf dem Weg in die Eskalation. Als Präsident Janukowitsch aus Kiew floh und die Macht des Maidan siegte, muss Chodakowskij seine schlimmsten Stunden erlebt haben. Er und seine Männer hatten als Spezialeinheit gegen die Demonstranten gekämpft, die Macht des Präsidenten verteidigt. Nach dem Zusammenbruch des Janukowitsch-Regimes verließ Chodakowskij Alpha. Er sollte nicht der einzige Enttäuschte sein. Zwei Monate später war auch Chodakowskij zurück. Er hatte die Zeit genutzt, Unzufriedene und Abtrünnige in seinem Bataillon Wostok (Osten) zu sammeln, einer 500 Mann starken bewaffneten Miliz aufseiten der prorussischen Aktivisten.

Wenn Chodakowksij heute über diese Zeiten spricht, dann klingt es so, als wäre all das schon lang her. Eigenständige Bataillone gebe es heute nicht mehr, betont er: Nunmehr seien alle in die Armee der DNR eingegliedert. 70 Prozent der freiwilligen Kämpfer seien bereits „unter der Machtvertikale“ .

Mann der langen Worte

Chodakowskij ist nicht nur ein Mann der Tat. Er hält viel von ideologischer Schulung: In seinen Vorträgen vor Studenten und Intellektuellen spricht er – durchaus langatmig und anders als vor Ausländern – gern vom Kampf der Machtblöcke und von der Notwendigkeit der Verteidigung der russischen Zivilisation. „Die in Kiew“ hätten sich von den USA aufwiegeln lassen mit dem Ziel, Moskau in einen Konflikt hineinzuziehen. „Russland ist ein Garant unserer Sicherheit“, betont er. Der Illusion einer Aufnahme durch die Russische Föderation aber gibt er sich nicht hin. In Chodakowskijs geopolitischer Skizze erscheint die DNR handlungsschwach: Würde Moskau Donezk zu einer Verhandlungslösung drängen, auch zum Verbleib in einer föderativen Ukraine, dann müssten sich Lokalpolitiker wie er dem beugen, „ob es uns gefällt oder nicht“.

Was den kürzlichen Rauswurf der amerikanisch-britischen NGO International Rescue Committee wegen angeblicher Spionage betrifft, gibt er sich hart. „Einige Organisationen werden gegründet, um Feindaufklärung zu betreiben“, sagt er dazu. In der derzeitigen Kriegssituation reiche ein Verdachtsfall, um Leute festzunehmen. Siegt da etwa das heiße Herz über den kühlen Verstand? Mit Felix Dserschinskij verbindet ihn übrigens nicht nur der Beruf, auch Chodakowskij stammt väterlicherseits von Polen ab. „Ethnisch gesehen bin ich also gar kein Russe“, sagt er. Prorussisch im Geiste, das ist er dennoch.

ZUR PERSON

Alexander Chodakowskij (42) diente als Offizier der Einheit Alpha des ukrainischen Geheimdienstes SBU im Gebiet Donezk. Nach dem prowestlichen Machtwechsel im Februar 2014 wechselte er auf die Seite der Donezker Separatisten und baute das Bataillon Wostok auf. Heute ist er Chef des Sicherheitsrates der De-facto-Behörden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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