Die Kommission wundert sich über Österreichs Gegenfinanzierung der Steuerreform. Und bei den Pensionen sei Österreich „südeuropäisch angehaucht“.
Wien. Lange Zeit hat die EU-Kommission Österreich den Status eines Musterschülers gegeben. Doch damit ist es nun vorbei, wie am Freitag bei der Präsentation der länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission an Österreich bekannt wurde. Mit Kritik wurde nicht gespart: Das durchschnittliche Pensionsalter sei zu niedrig, ebenso das Wirtschaftswachstum. Außerdem seien die budgetären Auswirkungen der Steuerreform wie auch der Heta-Abwicklung unklar. Die Einhaltung der mittelfristigen strukturellen Defizitziele wackle.
Es drohe aus derzeitiger Sicht auf das Budget bezogen sogar ein EU-Verfahren des präventiven Armes im Rahmen des Wachstums- und Stabilitätspaktes. Denn die EU-Kommission glaubt nicht ganz an die Zahlen, die Wien als Gegenfinanzierung benennt – „und die man nur aus Medien kennt“.
„Die Berechnungen der österreichischen Bundesregierung sind erst nachvollziehbar, wenn Texte vorliegen“, sagte der Fachmann der EU-Kommission, Marc Fähndrich. So kalkuliere die EU-Kommission in ihrer Berechnung etwa 900 Mio. Euro Einnahmen aus der Betrugsbekämpfung neu. Österreich rechnet mit 1,9 Mrd. Euro – also gleich mit einer Milliarde Euro mehr, als sich das die EU-Kommission zumindest derzeit vorstellen kann. Der Chef der EU-Kommissionsvertretung in Wien, Johann Sollgruber, sagte zur Berechnung der Bundesregierung: „Das Volumen bei der Betrugsbekämpfung ist schwer nachvollziehbar.“
Klare Reformen mahnt die EU-Kommission auch bei den Pensionen ein. „Österreich ist eher südeuropäisch angehaucht, was das Pensionsantrittsalter betrifft“, sagte Fähndrich.
Das Pensionsantrittsalter von Frauen und Männer gehöre angeglichen und automatisch an die steigende Lebenserwartung angepasst. Reformen seien auch für eine bessere Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren und Migranten angebracht, so die EU-Kommission. Besser qualifizierte Migranten würden aber zunehmend schlechter qualifizierte Österreicher verdrängen. Auch zum Hypo-Abbauvehikel Heta hat die Kommission „noch keine hinreichende Klarheit“, wie stark das Budget belastet werde. Die Schaffung der Heta sei zu begrüßen, auch wenn zu lang „verschlafen“, so Fähndrich. (APA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)