Beim „Krieg gegen das Bargeld“ geht es um Profit und Kontrolle

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Überwachung der Bürger endet nicht bei Daten und Konto. Jetzt soll sogar das Bargeld abgeschafft werden.

Wien. „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ Dieses Zitat wird Benjamin Franklin zugeschrieben, dessen Konterfei bis heute die 100-Dollar-Note schmückt – auch wenn man eine solche heutzutage immer seltener zu Gesicht bekommt.

Die USA sind der „bargeldlosen Gesellschaft“ nämlich schon viel näher als Europa, wo tendenziell mehr Bargeld eingesetzt wird, je weiter man sich gegen Süden bewegt. Die Tendenz ist aber auch hier klar: Karte statt Bargeld. Auch in Österreich sind die Worte „Mit Bankomat bitte“ an der Supermarktkassa immer häufiger zu hören.

Es stimmt zwar, dass 89 Prozent aller Zahlungen immer noch mit Münzen und Scheinen getätigt werden. Aber das liegt vor allem daran, dass viele kleine Einkäufe so abgewickelt werden. Gesamtwirtschaftlich betrachtet spielt Bargeld kaum noch eine Rolle: Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel stehen die Banknoten und Münzen im Umlauf in Europa nur noch für neun Prozent der Wirtschaftsleistung. In Schweden sind es gar nur drei Prozent.

Bargeld unter Generalverdacht

Und trotzdem tobt gerade in Nordeuropa ein „Krieg gegen das Bargeld“. So hat sich die dänische Regierung ins Programm geschrieben, den geltenden gesetzlichen Annahmezwang für Bargeld aufzuheben. Davon verspricht man sich eine Ankurbelung der Konjunktur, gilt die Bezahlung mit Karte doch als „effizienter“ und sogar als günstiger. Denn obwohl für Karten Gebühren anfallen, gibt es Studien, die auf die Vorteile von Kartenzahlungen verweisen. Immerhin spare man sich den Weg zum Bankomaten, lautet eines der Hauptargumente.

Als Gründe für den Kampf gegen das Bargeld werden sonst aber immer Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und kriminelle Machenschaften genannt. In allen drei Bereichen spielt Bargeld wegen seiner Anonymität eine Rolle. Mithilfe des lila 500-Euro-Scheins lassen sich sogar ein paar hunderttausend Euro in der Sakko-Tasche transportieren.

Deswegen werden Bargeld-Nutzer jetzt von einigen massiv überschuldeten Staaten unter Generalverdacht gestellt. In Frankreich gilt schon heute eine Obergrenze von 1500 Euro für Barzahlungen. Bald soll sie auf 1000 Euro gesenkt werden. In Italien gilt dieses Limit bereits. Und in Griechenland, wo die Menschen aus verständlichen Gründen weder den Banken noch dem Staat trauen, liegt die Grenze schon jetzt bei nur 500 Euro. Angeblich gibt es sogar Überlegungen, sie auf bis zu 70 Euro zu senken. In Österreich ist das Thema in dieser Woche angekommen. Staatssekretär Harald Mahrer setzte am ÖVP-Parteitag kurzfristig ein „Bekenntnis zum Bargeld“ auf die Agenda – und die Mitglieder der Volkspartei stimmten prompt dafür, womit dieses Bekenntnis es auch ins Parteiprogramm schaffen wird. Dem Staatssekretär ist die Sache ernst: Bei einer Abschaffung des Bargelds sei es „mit der Freiheit der Bürger vorbei“. Da schließt sich die Klammer zwischen Benjamin Franklin und Harald Mahrer.

Potenzieller Missbrauch

Tatsächlich scheinen die Argumente für den „Krieg gegen das Bargeld“ auf den zweiten Blick so dünn wie ein Geldschein. Denn Schwarzarbeiter und Drogenhändler werden sich kaum um Bargeld-Obergrenzen scheren, sie befinden sich ja bereits im Bereich des Verbotenen. Mahrer hat Recht. Tatsächlich geht es beim Kampf gegen das Bargeld um Kontrolle – und um Profit.

Die Staaten versprechen sich eine Eindämmung der Steuerhinterziehung, wenn sie immer und überall nachvollziehen können, wer was womit bezahlt. Datenschutz und Privatsphäre erleiden aus dieser Perspektive Kollateralschäden. Der potenzielle Missbrauch der Daten wird ignoriert. Die Banken haben auch kein Interesse an Bargeld: Die Kontoinhaber und Kreditkartennutzer müssen nicht nur Gebühren zahlen – sie sind auch potenzielle Kreditnehmer. Und Überziehungszinsen sind bekanntlich nicht die niedrigsten. Dafür gibt es auf dem Sparbuch kaum Zinsen – und hier wird der Krieg gegen das Bargeld wirklich bizarr.

Die Zentralbanken haben die Zinsen bereits seit sieben Jahren praktisch abgeschafft und haben zudem noch mehr als zehn Billionen Euro frisches Geld aus der Notenpresse nachgeschossen, um zumindest die Illusion einer funktionierenden Finanzwirtschaft zu wahren. All das reicht nicht aus, weshalb Negativzinsen der nächste Schritt sind. Aber solange die Kunden ihr Geld auch einfach in bar abziehen können und zuhause bunkern, können die Banken diese Negativzinsen nicht einfach an die Kunden weitergeben.

AUF EINEN BLICK

Dänemark will die Annahmepflicht von Bargeld als erstes europäisches Land abschaffen. In Italien, Frankreich und Griechenland gelten bereits Obergrenzen für Zahlungen mit Scheinen. Es geht dabei auf den ersten Blick um die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung – aber eben auch um die Ausweitung der Kontrolle über den Bürger. Davor warnte zuletzt sogar ÖVP-Generalsekretär Harald Mahrer. Die ÖVP will sich das „Bekenntnis für das Bargeld“ deswegen auch ins neue Parteiprogramm schreiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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