Boston-Bomber zum Tode verurteilt

Geschworene trafen Entscheidung über Strafmaß für Boston-Attentäter
Geschworene trafen Entscheidung über Strafmaß für Boston-Attentäter REUTERS
  • Drucken

Dschohar Tsarnaev wurde für den Terrorangriff auf den Marathonlauf im Jahr 2013 verurteilt. Wann und ob er hingerichtet wird, ist fraglich.

Washington. Dschohar Tsarnaev, der überlebende der beiden islamistischen Terroristen, die vor zwei Jahren den Bostoner Marathon angegriffen und vier Menschen ermordet hatten, ist am Freitag in Boston zum Tod verurteilt worden. Die neun Geschworenen des Strafgerichts in Boston sprachen sich in mehreren der 17 von 30 Anklagepunkten, für welche die Todesstrafe gedroht hatte, für ihre Verhängung aus. Das Strafmaß sei "passend" für das "schreckliche Verbrechen", sagte US-Justizministerin Loretta Lynch.

"Dzhokhar Tsarnaev hat kalt und gefühllos eine Terrorattacke verübt, die hunderte Amerikaner verletzt und drei Menschen das Leben genommen hat", erklärte Lynch. Kein Urteil könne die seelischen und körperlichen Schäden wieder gut machen, die der "feige Anschlag" verursacht habe. Lynch drückte aber ihre Hoffnung aus, dass die Opfer und ihre Familien nun zumindest ein bisschen mit dem Geschehenen abschließen könnten.

Explodierende Druckkochtöpfe beim Marathon

Die tschetschenischstämmigen, im Jahr 2002 mit ihrer Familie aus dem Kaukasus nach Boston eingewanderten, Brüder Dschohar und Tamerlan Tsarnaev hatten am 15. April 2013 den Zielraum des Bostoner Marathonrennens mit zwei Sprengsätzen, die in Druckkochtöpfen eingebaut waren und bei ihrer Explosion unzählige scharfe Projektile verschleuderten, in ein blutiges Chaos versenkt. Drei Zuschauer, darunter ein achtjähriger Bub, starben an der Anschlagsstelle. 17 Menschen verloren Beine, manche beide, und mehr als 240 weitere Personen erlitten andere Verletzungen.

Drei Tage später erschossen die Brüder einen Polizisten und lieferten sich einen Schusswechsel mit den Ordnungskräften, der mit dem Tod Tamerlans endete. Dschohar konnte erneut fliehen und wurde nach einer Fahndung in ganz Boston am nächsten Abend schwer verletzt in einem Garten unter einem Motorboot gefunden. Auf dessen Innenwand hatte er mit Bleistift das Bekenntnis geschrieben, den Anschlag als Vergeltung gegen westliche Übergriffe gegen Moslems verübt zu haben.

Tsarnaevs Strafverteidigerin Judy Clarke hatte vergeblich versucht, die Geschworenen milde zu stimmen. In ihrem Schlussplädoyer am Mittwoch hatte sie ihren Mandanten erneut als "verlorenen Jugendlichen" beschrieben, der von seinem sieben Jahre älteren Bruder Tamerlan zu der Tat angestiftet worden sei.

"Recht auf Leben verwirkt"

Die Opfer, Hinterbliebenen und nach dem Anschlag vom April 2013 beteiligten Einsatzkräfte regierten gemischt. "Er hat sein eigenes Recht auf Leben verwirkt", schrieb eine Überlebende auf Twitter. "Gerechtigkeit. In seinen eigenen Worten: 'Auge um Auge'." Die Frau wurde bei dem Anschlag schwer verwundet, ihr Mutter verlor beide Beine. Die Eltern des achtjährigen Buben, der bei dem Anschlag starb, hatten aus Angst vor dem jahrelangen Prozess dagegen öffentlich darauf gedrängt, von der Todesstrafe abzusehen.

Sowohl Massachusetts' Gouverneur Charlie Baker als auch Bostons Bürgermeister Martin Walsh sagten, dass die Entscheidung den Opfern hoffentlich die Chance gebe, mit dem Fall abzuschließen. "Niemand feiert hier", sagte ein Feuerwehrmann, der zu den ersten Helfern nach den Explosionen zählte. Doch die Gerechtigkeit im Fall Tsarnaev habe gesiegt. "Er wird zur Hölle fahren, denn dort wollte er hin. Aber er wird dort schneller ankommen als er dachte."

Hinrichtung fraglich

Der Bundesstaat Massachusetts, in dem Boston liegt, hat die Todesstrafe eigentlich abgeschafft. Der Fall wurde aber nach Bundesrecht verhandelt. Tsarnaev steht eine Reihe von Rechtsmitteln zur Verfügung, um gegen das Todesurteil vorzugehen. Wann und ob Tsarnaev hingerichtet wird, ist fraglich. Seit Ende der 1960er-Jahre hat die US-Bundesregierung nur drei Todeskandidaten auch tatsächlich exekutiert (die überwiegende Zahl der Todesurteile in den USA werden von Gerichten der Teilstaaten verhängt und von ihren jeweiligen Justizbehörden vollzogen). Darunter war Timothy McVeigh, der im April 1995 bei einem Anschlag in Oklahoma City mehr als 160 Menschen tötete.

Zudem sind die Chemikalien, die bisher jahrelang für tödliche Injektionen verwendet wurden, in jüngster Vergangenheit so schwer zu bekommen, dass zahlreiche Todesurteile nicht vollstreckt werden können. Außerdem ist es so gut wie sicher, dass Tsarnaev berufen wird.

Anmerkung der Redaktion:
Unter Hinweis auf unsere Forenregeln wurde die Kommentarfunktion zu diesem Artikel deaktiviert.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Eine Zeichnung aus dem Gerichtssaal
Außenpolitik

Schuldspruch für Boston-Attentäter

Die Geschworenen befanden Dzhokhar Tsarnaev in allen Anklagepunkten für schuldig. Nun wird in einem zweiten Prozessabschnitt das Strafmaß ermittelt.
Skizze des Gerichtssaals: Anwältin Judy Clarke am Podest, hinter ihr sitzend Dzhokhar Tsarnaev.
Weltjournal

Verteidigung will Todesstrafe von "Boston-Bomber" abwenden

Dem Attentäter von Boston droht die Todesstrafe. Die Verteidigung räumte seine Beteiligung an dem Anschlag zwar ein, wolle eine Hinrichtung jedoch vermeiden.
Dzhokhar Tsarnaev
Weltjournal

Boston-Attentäter: Eröffnungsplädoyers im Prozess

Dzhokhar Tsarnaev wird beschuldigt, den Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 verübt zu haben. Seine Strafverteidigerin sagt: "Er war es".
Verfahren um Anschlag auf Boston-Marathon beginnt
Weltjournal

Prozessbeginn: Dem "Boston-Bomber" droht die Todesstrafe

Dzhokhar Tsarnaev und sein bei der anschließenden Fahndung getöteter Bruder werden für den Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 verantwortlich gemacht.
Außenpolitik

Boston-Attentäter entschuldigte sich bei Opfern und Überlebenden

Nach Abschluss des Prozesses, bei dem er zu Tode verurteilt wurde, zeigt der 21-Jährige Reue.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.