Schule: "Zwickl-Tage" werden freiwillige Fördertage

Irmgard Gürtler, Lehrerin
Irmgard Gürtler, Lehrerin (c) (Clemens Fabry)
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Zwei der schulautonomen Tage bleiben de facto erhalten. Der Streit und die Klage um den Boykott des PISA-Tests sind vom Tisch. Der Streik findet trotzdem statt. Eltern kritisieren den "Schnellschuss"

Nach einem Gespräch mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) am Donnerstag kündigte die ÖVP-nahe Schülerunion an, dass sie den Boykott des Pisa-Tests nun doch beenden werde. Die Voraussetzung dafür war laut Obmann Matthias Hansy, dass zumindest zwei der schulautonomen Tage erhalten bleiben und Schmied das Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) dazu bringt, die Klagsandrohung wegen des Boykotts zurückzunehmen. Dabei war es immerhin um eine Schadenssumme von bis zu einer Million Euro gegangen.

Pikantes Detail am Rande: Das BIFIE führt im Auftrag des Unterrichtsministeriums den PISA-Test durch und ist Schmied unterstellt.

Die Ministerin bestätigte wenig später die Angaben der Schülerunion und präzisierte via Aussendung die schulischen Neuerungen: Die vier (Pflichtschulen) bzw. fünf schulautonomen Tage (weiterführende Schulen) werden zu Schultagen. Allerdings mutieren die sogenannten „Zwickeltage“ nach Christi Himmelfahrt und Fronleichnam zu Fördertagen, die Schüler freiwillig in Anspruch nehmen können.
Das bedeutet: Die Lehrer müssen auch dann in der Schule anwesend sein, damit sie „für individuellen Förderunterricht oder andere Aktivitäten“ zur Verfügung stehen. Das genaue Angebot wird am Schulstandort abgestimmt.

Sollten sich an beiden Freitagen keine Schüler an der jeweiligen Schule einfinden, hätten sich die Lehrer „der Schulentwicklung, der Projektvorbereitung, der Fortbildung“ oder Ähnlichem zu widmen, heißt es in der Aussendung. An den restlichen drei ehemals schulautonomen Tagen wird unterrichtet. Mit Bundesschulsprecher Nico Marchetti vereinbarte Schmied, dass die Schülervertreter Vorschläge erarbeiten sollen, wie der Unterricht an jenen Tagen gestaltet werden soll. Diese Regelung wird erst ab dem Schuljahr 2010/2011 in Kraft treten („Die Presse“ berichtete), weil die Bundesländer jene beiden schulautonomen Tage, die sie zentral vorgeben können, für 2009/10 schon kundgetan haben.

Streik findet statt

Die Demonstration der Schülerunion vor dem Parlament wird morgen trotz Kompromiss stattfinden.

"Der Streik wird definitiv nicht abgesagt", so Hansy, "weil noch immer drei Tage übrig sind". Die Schülerunion werde auf jeden Fall versuchen, alle fünf ehemals schulautonomen Tage als Ferientage für Schüler zu erhalten und diese - "notfalls auch scheibchenweise" - von Schmied zurückzufordern. Betreffend der BIFIE-Klage versicherte Schmied schriftlich, bei einem Ende des PISA-Boykotts das ihr weisungsgebundene Institut davon zu überzeugen, die Klagsdrohung zurückzuziehen.

Unzufriedene Lehrer

Mit dem neuen Plan brachte die Ministerin die ÖVP und, einmal mehr, die Lehrergewerkschaft gegen sich auf. Für den Koalitionspartner mokierte sich Bildungssprecher Werner Amon, mit ihm sei nichts abgesprochen. In der Sache gehe diese Variante aber in Ordnung. Lehrergewerkschafter Walter Riegler kritisierte hingegen, dass die Ministerin einen Vertrag nun einseitig ändere.

Die Debatte zog am Donnerstag weite Kreise. Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) sprach sich gegen die Beseitigung der schulautonomen Tage aus, die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl argumentierte im „Presse“-Gespräch in die konträre Richtung. Und der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer erteilte BIFIE-Direktor Günter Haider eine Schelte: Mit Klagsandrohungen motiviere man die Schüler eher nicht für einen Test. „Das müsste Doktor Haider als Lehrer wissen.

Kritik von Eltern-Vertretern

Unzufrieden sind die  Elternvertreter mit dem heutigen Kompromis. Gerald Netzl, Vorsitzender der Elternvereine an den Pflichtschulen, sprach von einem "unüberlegten Schnellschuss" der Ministerin. Aus Sicht von Ulf Scheriau, Elternsprecher der höheren Schulen, ist zumindest das Angebot der Lehrer-Gewerkschaft zulasten der Schüler abgemildert.

Die Lehrergewerkschaft habe die Eltern durch ihr Angebot "in ein Verhandlungsergebnis gezwungen, das wir so nicht wollten", kritisierte Scheriau. "Jetzt ist es aber zum Glück gelungen, es unter dem Gesichtspunkt des Machbaren so abzuschwächen, dass es aus meiner Sicht in der derzeitigen Situation akzeptierbar ist."

Netzl vermutete, dass Schmied "offensichtlich schlecht beraten" werde. "Sie sah sich gezwungen, dem Druck der Straße, der Tourismuswirtschaft und einiger Eltern zu beugen", bewertete Netzl das Ergebnis. In der Praxis erwartet Netzl Probleme: Schüler und Eltern würden wohl davon abhängig sein, was der jeweilige Lehrer mit den beiden Zwickel-Tagen anzufangen gedenke. "Wenn sich der Schulbesuch zu einem Wunschkonzert entwickelt, dann gute Nacht Österreich!"

Schulautonome Tage

Die fünf schulautonomen Tage werden in ihrer bisherigen Form abgeschafft und zu Schultagen. Allerdings werden die - traditionell mit schulautonomen Tagen freigemachten - Freitage ("Zwickl-Tage") nach Christi Himmelfahrt und Fronleichnam österreichweit zu für Schüler freiwilligen Fördertagen. Das genaue Angebot wird am Schulstandort zwischen allen Beteiligten abgestimmt.

(APA/Red.)

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