IWF: Osteuropa stürzt in tiefe Wirtschaftskrise

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Das Baltikum ist besonders betroffen, Österreichs Nachbarländern geht es besser. Insgesamt wird das Bruttoinlands-Produkt der Region „Emerging Europe“ heuer um 3,7 Prozent schrumpfen.

wien (ju/red.). Zumindest in diesem Jahr ist die Wachstumsregion Osteuropa Geschichte: Der Internationale Währungsfonds prophezeit den Reformstaaten des früheren Ostblocks 2009 einen schweren wirtschaftlichen Absturz.

Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Region „Emerging Europe“ (wozu der IWF Osteuropa und die Türkei rechnet) heuer um 3,7Prozent schrumpfen.

Rechnet man die Türkei heraus, wird der prognostizierte Rückschlag mit 2,9Prozent zwar etwas freundlicher ausfallen. Aber einige Regionen sind überproportional betroffen.

Etwa die baltischen Staaten, denen heuer BIP-Einbrüche von gewaltigen zehn bis zwölf Prozent ins Haus stehen. Das wird ein Problem für die schwedischen Banken, die dort sehr stark involviert sind.

Aber auch einige bisher sehr einträgliche „Stammreviere“ der heimischen Banken werden laut IWF schwer unter die Räder kommen. Etwa die Ukraine (minus acht Prozent) und Rumänien, wo die Wirtschaftsleistung um vier Prozent absacken dürfte.

Beide Länder dürften aber schon 2010 wieder stagnieren oder gar leicht wachsen. Zumindest auf Basis der derzeitigen Prognosen. In den vergangenen Monaten sind Konjunkturprognosen sehr rasant nach unten korrigiert worden.

Eine Reihe von „Abwärtsrisken“

Besser sieht es in den benachbarten Ländern aus. Dort werden laut IWF nur Ungarn (minus 3,3 Prozent) und Tschechien (minus 3,5 Prozent) stärker schrumpfen als die österreichische Wirtschaft. Die Slowakei (minus 2,1 Prozent) und Polen (minus 0,7 Prozent) werden sich relativ gut halten.

Der IWF warnt allerdings, dass es in Osteuropa noch eine Reihe von „Abwärtsrisken“ gebe, die die Krise sehr schnell sehr stark verschärfen könnten. Gefährdet seien vor allem die Ausleihungen der Banken in der Region, weshalb die EU in diesem Punkt „viel koordinierter und stärker“ vorgehen solle.

Bei den österreichischen Banken, die in der Region (bezogen auf die Größe Österreichs) weit überproportional vertreten sind, sieht man die Lage freilich nicht so dramatisch. Das Exposure gegenüber Osteuropa sei zwar insgesamt hoch, wackelig seien aber auch Auslandsforderungen von Banken gegenüber westlichen Industrieländern, etwa USA und Großbritannien.

Wenn man das einbeziehe, seien die Banken anderer Länder wesentlich exponierter als die österreichischen, schreibt etwa Bank-Austria-Volkswirt Stefan Bruckbauer im jüngsten „Report“ seiner Bank.

120 Milliarden aus Österreich

Die gesamten Auslandsforderungen der heimischen Banken machten 131 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts aus, wovon etwas mehr als die Hälfte auf Osteuropa entfällt. Zum Vergleich: Die Auslandsforderungen der Schweizer Banken (die große Probleme mit amerikanischen Schrottpapieren haben) betrage 447 Prozent des Schweizer BIP.

Die eidgenössischen Banken seien also wesentlich exponierter als die österreichischen. Aber auch in Belgien (263Prozent) oder Schweden (153Prozent) seien die Auslandsforderungen wesentlich höher. Deutschland liegt mit 112 Prozent etwas unter Österreich.

Die Bank Austria schlüsselt auch die Forderungen gegenüber Osteuropa detailliert auf: Die westlichen Banken haben dort 1200 Mrd. Euro „draußen“, 25 Prozent davon, also 300 Mrd. Euro, entfallen auf österreichische Institute.

Von diesen 300 Mrd. Euro seien 180 Mrd. Euro von den lokalen Tochterbanken der österreichischen Institute vergeben worden. Immerhin 120 Mrd. Euro seien direkt aus Österreich gekommen.

IWF

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2009)

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