Klima: „Wir werden es besser machen als Europa“

(c) EPA (Tomas Hudcovic)
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In den ersten drei Monaten im Amt hat US-Präsident Obama die Klimapolitik der USA bereits einem radikalen Wandel unterzogen. Der staatliche Umweltexperte Dennis Leaf über den grünen Aufbruch in Amerika.

DiePresse: Als Barack Obama zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde, sagte er: „Das war der Moment, in dem der Planet zu heilen begann.“ Sie arbeiten seit 27 Jahren bei der Umweltschutzbehörde EPA. Ist das der große Bruch in der Umweltpolitik der USA?

Dennis Leaf: Absolut. Der Präsident hat sich für verpflichtende Ziele und einen klaren Zeitplan bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen ausgesprochen. Die Konjunkturpakete beinhalten große Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz.

International ist der Wandel in der US-Klimapolitik besonders interessant. Amerika hat das Kyoto-Protokoll ja immer noch nicht ratifiziert, was laut Obama ein Fehler sei. Werden die USA Kyoto jetzt ratifizieren?

Leaf: Amerika hat den Vertrag zwar unterschrieben, aber nie ratifiziert. Die USA werden Kyoto auch in Zukunft nicht ratifizieren. Stattdessen soll eine internationale Vereinbarung für die Zeit nach 2012 gefunden werden. Grund ist das Klimaschutzgesetz, das derzeit im Kongress verhandelt wird. Hier werden die Ziele auf Basis der Werte von 2005 formuliert, für Kyoto ist 1990 die Referenzgröße.

Das Gesetz sieht eine Eindämmung der Emissionen bis 2020 um 20Prozent unter die 2005er-Werte vor. 2050 sollen 83Prozent weniger Schadstoffe in der Luft sein. Wird das Gesetz bis Jahresende abgesegnet?

Leaf: Ziemlich sicher nicht in seiner heutigen Form. Die größte Hürde wartet im US-Senat. Dennoch spricht einiges für das Gesetz: Allen voran ein Präsident, der deutlich seine Unterstützung zeigt. Bis dahin wird es viele Debatten geben, schließlich ist die gesamte Industrie betroffen.

Mit dem Gesetz soll auch ein Emissionshandelssystem eingeführt werden, das ähnlich funktionieren soll wie das europäische Modell...

Leaf: Das erste weltweit verwendete System für den Handel mit Emissionsrechten kommt eigentlich aus den USA. Das Handelssystem für sauren Regen wurde nach Europa exportiert und wird jetzt in Teilen reimportiert. Künftig sollen in den USA für 85Prozent aller Emissionen Zertifikate nötig sein.

Die Frage ist, wie die Emissionsrechte an die Industrie verteilt werden. Obama hat sich für die Versteigerung aller Zertifikate stark gemacht. Ist das angesichts der ökonomischen Situation aufrechtzuerhalten? Anders gefragt: Wie beeinflusst die Krise die US-Umweltpläne?

Leaf: Diese Argumente werden im Kongress sicher kommen. Es gibt jetzt schon Menschen, die sagen, der Klimaschutz ist nichts weiter als eine riesige Energiesteuer zur unpassendsten Zeit. Der Kongress hat zig Milliarden Dollar für die Steigerung der Energieeffizienz frei gemacht. Auch da gab es viele, die dagegen waren.

Verlangsamt die Wirtschaftskrise die Umweltambitionen der USA?

Leaf: Es gibt derzeit viel Bewegung in Sachen Klimaschutz in den USA. Barack Obama ist der fünfte Präsident unter dem ich arbeite. Und ich glaube nicht, dass die Krise etwas an seinem Engagement für den Umweltschutz ändern wird.

Wie hat sich Ihr Job in der EPA verändert? Haben Sie mehr Freude an der Arbeit?

Leaf: Die Moral innerhalb der Abteilung ist drastisch gestiegen. Wir haben jetzt einen Präsidenten, der vom Umweltschutz überzeugt ist und die Krise nicht als Ausrede sucht. Auch die Kompetenzen der EPA ändern sich: Jüngst hat die EPA Ergebnisse veröffentlicht, wonach der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellt. Das mag nach wenig klingen, ist aber der größte Schritt im Klimaschutz der vergangenen zehn Jahre.

Was ändert sich durch den Bericht?

Leaf: Die Regierung Bush hat immer geleugnet, dass CO2 die Luft verschmutzt. Unsere Ergebnisse wurden unter Verschluss gehalten, bis das Amt übergeben wurde. Jetzt ist der Bericht draußen und die Grundlage für neue gesetzliche Regelungen. Am Ende wird erstmals die EPA die Kompetenz haben, neue Regeln für die Emission von Treibhausgasen zu erlassen. Das ist ein dramatischer Schritt.

Die Industrie hat bereits Sorge angemeldet, eine Regulierung durch die EPA würde die Wirtschaft zum Erlahmen bringen. Die Automobilbranche würde schon vom Klimaschutzgesetz hart getroffen. Das zu einer Zeit, in der die US-Regierung Unmengen an Geld aufwendet, um die Riesen der Branche am Leben zu erhalten. Wird es eine Schonfrist für die Autohersteller geben?

Leaf: Es wird für alle Industrien eine Schonfrist geben, bis sie die Ziele zur Gänze erreichen müssen. Für die Autobauer vielleicht noch mehr, weil sie mitten in einer Restrukturierung stecken. Auf der anderen Seite ist die Position des Präsidenten klar, der sagt: Die Zukunft sind sparsamere Autos und weniger Treibhausgase. Klimaschutz ist ohne Regulierung im Verkehr nicht möglich.

Man hört oft, dass die USA im Umweltschutz gut 20 Jahre hinter Europa nachhinken. Wird Amerika in den kommenden Jahren zu Europa aufschließen können?

Leaf: Die USA sind sicher nicht 20 Jahre hinter Europa. Im Gegenteil, für eine lange Zeit und in vielen Bereichen waren wir den Europäern sogar weit voraus. Die USA haben die strengsten Regulierungen für Autoabgase. In Europa sind die Emissionen im Verkehr ungleich höher. Was den Klimaschutz angeht, bin ich überzeugt, dass die USA Programme mit verpflichtenden Zielen und einem klaren Zeitplan aufnehmen werden. Wir werden es sicher so gut machen wie Europa, wenn nicht besser.

zur person

Dennis Leaf ist seit 27 Jahren hochrangiger Beamter in der Environmental Protection Agency, der staatlichen Umweltschutzbehörde in den USA. Seine Schwerpunkte sind die Reduktion von saurem Regen und von Emissionen aus dem Verkehr. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2009)

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