Mazedonien. Dutzende Gegner von Premier Gruevski verbrachten die Nacht vor dem Regierungssitz, die Proteste sollen weitergehen.
Skopje. Nach der Großdemonstration in Mazedoniens Hauptstadt Skopje am Wochenende haben Dutzende Gegner von Ministerpräsident Nikola Gruevski ihre Ankündigung wahr gemacht und die Nacht vor dem Regierungssitz verbracht. Am Montag harrten noch rund hundert Teilnehmer der Proteste dort aus. Sie waren einem Appell von Oppositionsführer Zoran Zaev gefolgt und hatten Zelte aufgebaut. Der Verkehr im Zentrum wurde teilweise lahmgelegt.
Am Sonntag hatten in Skopje zehntausende Demonstranten den Rücktritt von Premier Gruevski gefordert. Dieser hatte am Tag zuvor aber bereits klargemacht, dass er nicht daran denke, den Forderungen nachzugeben. Die Opposition hat angekündigt, mit ihren Protesten weiterzumachen, bis Gruevski nachgibt. Für Montagabend wollte die Regierung dagegen ihre eigenen Anhänger zu einer Demonstration auf die Straße bringen.
Zunehmend autoritäre Regierung
Gruevski regiert den Balkanstaat seit 2006 und wurde im April 2014 bei Neuwahlen im Amt bestätigt. Die Opposition wirft ihm Wahlfälschung sowie einen zunehmend autoritären Regierungsstil vor. Außerdem macht sie die Regierung für Korruption und die illegale Überwachung von 20.000 Bürgern verantwortlich. Oppositionsführer Zaev hatte seit Februar Telefonmitschnitte veröffentlicht, die die Vorwürfe untermauern sollen und – sollten sich die Aufnahmen als echt herausstellen – einige Regierungsmitglieder schwer belasten. Erst vor einer Woche waren zwei Minister und der Geheimdienstchef des Landes wegen des Abhörskandals zurückgetreten. Die Opposition interpretierte diesen Schritt als Versuch, Gruevski das Amt zu sichern. Mazedonien ist seit zehn Jahren EU-Beitrittskandidat und strebt auch eine Aufnahme in die Nato an.
Ethnische Spannungen
Zusätzliche Brisanz erhielt die Situation vor einer Woche, als sich in der Stadt Kumanovo die Polizei und eine schwer bewaffnete Gruppe aus ethnischen Albanern ein zwei Tage andauerndes Feuergefecht lieferten. Nach anfänglichen Angaben kamen dabei acht Polizisten und 14 Aufständische ums Leben, doch diese Zahlen sind noch nicht bestätigt. Auch die kosovarischen Behörden haben jetzt Untersuchungen aufgenommen.
Rund ein Viertel der 2,1 Millionen Mazedonier sind ethnische Albaner. Die Beziehungen zwischen den Volksgruppen sind seit Langem angespannt. Die Gefechte in Kumanovo lassen eine blutige Eskalation der Krise befürchten, die das Land seit Monaten erschüttert. Auch Serbiens Premier Aleksandar Vucić äußerte am Montag Angst vor einem neuen Krieg auf dem Balkan. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)