Song Contest: „Mögen auch bizarre Dinge“

EUROVISION SONG CONTEST 2015 - PK ORF: ZECHNER
EUROVISION SONG CONTEST 2015 - PK ORF: ZECHNER(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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„Die Presse“ traf Australiens Botschafter David Stuart und ORF-Direktorin Kathrin Zechner zum Gespräch über Humor, Migration und den Song Contest.

Die Presse: Australien nimmt heuer erstmals am Song Contest teil. Bereits im Vorjahr hatte der Liederwettbewerb, trotz Zeitverschiebung, ein Millionenpublikum in Down Under. Herr Botschafter, wie erklären Sie sich diese Begeisterung?

Botschafter David Stuart: Sie haben vollkommen recht, das Interesse ist groß. Rund eine Million sieht den Song Contest. Wie kann man das erklären? Es ist eigentlich recht logisch. Australien ist hauptsächlich ein Land von Migranten, die Mehrheit mit europäischem Hintergrund. Radioprogramme laufen in 74 Sprachen, TV-Programme in mehr als 65 Sprachen. Wenn Sie morgens aufstehen, können Sie die Nachrichten in Griechisch ansehen, gefolgt von Portugiesisch, Vietnamesisch. Viele Australier haben „Inspector Rex“ (englischer Titel der ORF-Serie „Kommissar Rex“, Anm.) auf Deutsch kennen- und lieben gelernt.

Zechner: Cool.

Stuart: Ja. Das ist eine Erklärung, weshalb Australien näher bei Europa liegt, als es die Landkarte zeigt. Zum anderen mögen wir eine gute Party, populäre Musik, die Extravaganz. Eben auch Dinge, die etwas bizarr sind.

Frau Zechner, was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an Australien?

Zechner: Der Australier hat einen großartigen Sinn für Humor. Er ist offen für alle Menschen. Australier sind weltoffene, sportliche, lockere Menschen. Man kann vieles von ihnen lernen, vor allem, wie man mit Migration umgeht. Mein Eindruck ist, dass jeder willkommen ist, der ein Teil von Australien werden will.

Können Sie das unterschreiben?

Stuart: Vor 70 Jahren hatten wir keine vielfältige Bevölkerung. In einem relativ kurzen Zeitraum hat sich das geändert. Australien ist eines der ethnisch vielfältigsten Länder der Welt. Englisch ist natürlich die zentrale Sprache, aber Menschen zelebrieren die sprachliche Vielfalt. Und das macht Australien zu einem besseren Ort.

Wird ethnische Diversität im ORF repräsentativ abgebildet?

Zechner: Ich bin sehr überzeugt von Diversity in Teams. Teams mit jungen, und älteren Menschen, Männern und Frauen, ethnischer Diversität. Dies zu fördern, ist mein berufliches und privates Ziel. Wir haben ein Magazin, das sich mit Migration beschäftigt. Bei „CopStories“ transferieren wir das normale Leben. Unser Ziel ist es, Selbstverständlichkeiten abzubilden. Das ist uns noch nicht geglückt.

Herr Stuart, welche ORF-Sendungen außer „Kommissar Rex“ schauen Sie noch? Und wie fällt der Vergleich zum australischen Fernsehen aus?

Stuart: Ich sehe selten australisches Fernsehen, weil ich mich beim Streaming nicht clever genug anstelle. Österreichisches Fernsehen schaue ich ab und zu. Ich mag Serien wie „Stockinger“, wenn sie wiederholt werden. Und die „Soko“-Reihe. Die ist gut gemacht.

Zechner: Und Dokumentationen?

Stuart: Selten, weil mein Deutsch für ernstere Themen nicht reicht. Wie bei politischen Diskussionen, wo ich nach 30 Sekunden abschalten muss. Das ist natürlich manchmal frustrierend. Zum Vergleich: Ja, es gibt Gemeinsamkeiten. Ihr habt euer „Bauer sucht Frau“, wir haben „The Farmer Wants a Wife“.

Zechner: Falscher Sender.

Stuart: Wirklich? Ein Teil von mir freut sich, dass der ORF diese Sendung nicht macht.

Der ORF setzt vermehrt auf schwarzen Humor: Mit Serien wie „Braunschlag“ und nun mit „Altes Geld“.

Stuart: Nicht jeder versteht schwarzen Humor. Ich selbst muss bei meiner Tätigkeit aufpassen, deutlich sprechen und auf Sarkasmus oder Ironie verzichten. Viele sprechen ein wortwörtliches Englisch. Dann könnte ich missverstanden werden. Das ist mir bei Reden vor den Vereinten Nationen schon passiert.

Zurück zum Song Contest in Wien. Das diesjährige Motto lautet „Building Bridges“. Welches Österreich wird man den Zusehern in Europa, aber auch in Australien, zeigen?

Zechner: Es ist mir wichtig zu zeigen, dass Österreich nicht nur aus Lipizzanern, Mozartkugel, Sisi und der Trapp-Familie besteht. Österreich ist ein sehr modernes, offenes und intelligentes Land. Wir wollen andere Seiten zeigen: Architektur, Musik und Wissenschaft.

Stuart: Es ist eine großartige Chance. Wien wird für ein paar Tage der Mittelpunkt sein. Nicht nur, weil es die wunderbaren Museen und die klassische Musik hat, sondern weil es auch das moderne Gesicht zeigen kann. Wir freuen uns, dabei zu sein, nehmen das ernst. Wir werden da sein, um zu gewinnen.

Wo werden Sie das Song-Contest-Finale sehen? In der Stadthalle?

Stuart: Nein, ich bin am Tag des Finales beruflich in New York.

Zechner: Wir tauschen noch Nummern aus. Sie bekommen eine SMS von mir, wenn Australien gewinnt.

Stuart: Was passiert, wenn Mister Guy Sebastian tatsächlich gewinnt? Dann werden wir im kommenden Jahr der Ko-Veranstalter sein, an irgendeinem Ort in Europa – und ja, vielleicht in Wien.

Zechner: Spricht nichts dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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