Das Finanzministerium wird einen Immobilienpreisspiegel erstellen, um die Berechnung der neuen Schenkungs- und Erbschaftssteuer einfacher zu machen. Für Familien lässt sich viel Geld sparen.
Wien. Notare berichten, dass sie derzeit Hochbetrieb hätten. Viele Eltern wollen noch jetzt ihren Kindern die Wohnung oder das Haus überschreiben, bevor ab 1.Jänner 2016 höhere Steuern für Erbschaften oder Schenkungen gelten. Doch so hoch die neuen Steuersätze auf den ersten Blick erscheinen, in der Realität werden sie sich bei vielen Familien nicht sehr dramatisch auswirken: Denn die Steuer verringert sich, je mehr Besitzer eines Hauses oder je mehr Erben es gibt. Ein ganz einfacher Trick stellt sicher, dass sich für Mittelstandsfamilien die künftige Steuer nur wenig von den aktuellen Steuern unterscheiden wird.
Statt des günstigen Einheitswerts kommen bei dem am Dienstag bis 5. Juni zur Begutachtung ausgeschickten zweiten Teil des Steuerreformpakets künftig die Verkehrswerte bei Erbschaften oder Schenkungen zur Anwendung. Für Immobilien mit einem Wert bis 250.000 Euro bezahlt man 0,5 Prozent an den Staat, zwischen 250.000 und 400.000 Euro werden zwei Prozent fällig, und ab 400.000 Euro muss man 3,5 Prozent abführen. Das heißt beispielsweise, dass ein Kind, das ab kommendem Jahr von seinem Vater eine Wohnung im Wert von 480.000Euro erbt oder geschenkt bekommt, dafür 7050 Euro Steuer zahlen muss.

Sonderregelung bei Hauptwohnsitzen
Dieser Betrag lässt sich aber dramatisch reduzieren, wenn die Wohnung zwei Besitzer hat – was in Österreich in vielen Fällen allein schon aufgrund der Kreditbesicherung der Fall ist. Das Kind erbt also nicht von einer Person 480.000 Euro, sondern von zwei Personen jeweils 240.000 Euro. Dafür fallen jeweils nur 0,5 Prozent Steuer an, gesamt also lediglich 2400 Euro. Ein Experte des Finanzministeriums bestätigte der „Presse“ diese Berechnung.
Die Steuer sinkt auch mit der Anzahl der Erben. Obige Rechnung gilt ebenfalls, wenn ein Besitzer zwei Kindern eine Immobilie vermacht. So können auch die Steuern für Immobilien im Wert von einer Million Euro und mehr deutlich verringert werden.
Was nicht funktioniert, ist eine Nach-und-nach-Vererbung. Wenn also der Vater seinem Sohn heuer das halbe Haus schenkt und zwei Jahre später die andere Hälfte. Außer er ist geduldig. Denn alle Übertragungen von Immobilien zwischen denselben Personen werden für einen Zeitraum von fünf Jahren zusammengezählt. Schenkt ein Vater allerdings 2016 die eine Hälfte der Wohnung im Wert von 240.000 Euro und im Jahr 2022 die andere im Wert von 240.000 Euro, werden ebenfalls nur 2400 Euro an Steuern fällig.
Erbschaften zwischen Ehepartnern werden im neuen Gesetzeswerk billiger. Derzeit ist nur eine Schenkung einer Immobilie, die der gemeinsame Hauptwohnsitz ist, bis zu einer Wohnfläche von 150Quadratmeter steuerfrei. Künftig zahlt man auch bei Erbschaften keine Steuer – vor allem aber werden nur Flächen über 150 Quadratmeter besteuert. Derzeit bezahlt man bei 151 Quadratmeter Wohnfläche die volle Steuer, künftig nur für den einen Quadratmeter mehr.
Um den Verkehrswert zu errechnen, wird das Finanzministerium, wie Ressortchef Hans Jörg Schelling erklärt, einen Immobilienpreisspiegel erstellen, der auf einem aktuellen Preisspiegel aufbaut. Der Notar berechnet anhand dieses Preisspiegels und des Zustands der Immobilie die Steuer. Wer sich von dieser Berechnung benachteiligt fühlt, kann einen Gutachter mit einer Bewertung beauftragen.
Das 5,2-Milliarden-Steuerreformpaket (siehe Grafik) fließt großteils in die Entlastung der Arbeitnehmer und Pensionisten. Zwei Änderungen, über die „Die Presse“ am Dienstag berichtet hat, wurden bestätigt: Bezieher von Einkommen unter 11.000 Euro im Jahr, die keine Steuer zahlen, erhalten bereits für heuer 220 statt 110 Euro Steuergutschrift (Negativsteuer). Bei Betriebsübergaben wird die Grunderwerbsteuer erst ab einem Freibetrag von 900.000 Euro fällig; sie wird außerdem mit 0,5 Prozent limitiert.
Fix ist die Registrierkassenpflicht, alle zertifizierten Systeme dürfen verwendet werden. Kunden müssen den Kassabon erhalten und bis zum Geschäftseingang aufbewahren.
Weitere Infos: www.diepresse.com/steuerreform
ZEITPLAN
Steuerreform. Die Gesetzesentwürfe sind bis 5.Juni in verkürzter Begutachtung. Am 16.Juni folgt der Beschluss im Ministerrat, Anfang Juli im Nationalrat, am 23.Juli im Bundesrat. Die Reform gilt ab Anfang 2016. Ab März 2015 gelten die Meldepflicht der Banken an das neue Kontenregister und die Steuergutschrift 2015 bei niedrigen Löhnen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)