Die EZB hat sich verplappert

Sicherheitsma�nahmen rund um EZB
Sicherheitsma�nahmen rund um EZB(c) APA/dpa/Frank Rumpenhorst (Frank Rumpenhorst)
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Wieder wird die Geldpolitik gelockert. Aber diesmal verrät die EZB den Plan einer kleinen Runde von Investoren vorab – und vergisst 14 Stunden lang, die Öffentlichkeit zu informieren.

Wien/Frankfurt. Für die überwältigende Mehrheit der Menschen sind Reden von Notenbankern eine sterbenslangweilige Angelegenheit, die sich kaum jemand freiwillig antun würde. Aber für jenen sehr kleinen Teil der Menschen, der sein Geld an den Börsen verdient, sind die Worte der „Währungshüter“ wichtiger als irgendetwas anderes.

Denn aus den Notenbanken kommt das Geld. Kommt mehr Geld, fällt die Währung und die Aktienkurse steigen. Kommt weniger Geld, geschieht das Gegenteil. In diesem Spiel reicht ein Informationsvorsprung von wenigen Sekunden, um Unsummen zu verdienen. Ein kleiner Kreis von Hedgefonds-Managern und anderen Investoren bekam Anfang dieser Woche aber gleich 14 Stunden Informationsvorsprung – und zwar direkt von der Europäischen Zentralbank EZB.

Soros' Mann war schon weg

Was war geschehen? Benoît Coeuré, französisches Direktoriumsmitglied der EZB, hielt am Montag Abend im Luxushotel Mandarin Oriental im Londoner Stadtteil Knightsbridge eine Rede vor Finanzmenschen. Zusammenfassung der Rede: „Mehr Geld.“

Veranstaltet wurde die eintägige Tagung vom Brevan Howard Centre for Financial Analysis, das am Imperial College London angesiedelt ist und vom Hedgefonds Brevan Howard finanziert wird. Brevan Howard firmiert auf der Kanalinsel Jersey, verwaltet rund 27Mrd. Dollar und gilt als außerordentlich erfolgreich. Mitveranstalter des für die Öffentlichkeit und Medien nicht zugänglichen Events waren das britische Centre for Economic Policy Research und die Schweizerische Nationalbank.

Laut „Wall Street Journal“ unter anderen anwesend: Alan Howard, der Mitbegründer des Hedgefonds; Jason Cummins, der Research-Chef von Brevan Howard, und Scott Bessent von Soros Fund Management, dem „Investmentarm“ von George Soros, der ausgerechnet durch die größte Währungsspekulation der Geschichte reich geworden ist. Bessent dürfte die Konferenz laut „WSJ“ aber schon am Nachmittag – also vor der Rede von Coeuré – wieder verlassen haben.

All das ist auch weder ungewöhnlich noch problematisch. Hedgefonds dürfen einladen, wen sie wollen. Neben EZB-Mann Coeuré sprachen auch die Ökonomen Kenneth Rogoff (Harvard) und Willem Buiter (Citigroup). Aber sie hatten nur Meinungen zu bieten. Coeuré hatte Fakten. Und die hatten es in sich.

(C) DiePresse

Der EZB-Mann kündigte in seiner Rede an, dass die Zentralbank einen Teil ihrer umstrittenen Käufe von Staatsanleihen vorziehen werde – da im Sommer mit einer saisonal bedingt schwachen Liquiditätslage im Markt für Staatsanleihen zu rechnen sei. Heißt übersetzt: Die EZB wird im Mai und Juni vorübergehend mehr Geld als die ursprünglich geplanten 60 Mrd. Euro drucken und in den Markt pumpen – damit sie im Sommer weniger Anleihen kaufen muss und den dann dünneren Markt nicht stärker verzerrt, als sie es für notwendig erachtet.

Das ist eine bedeutende Änderung der Geldpolitik, nichts, was im Vorfeld einer offiziellen Verlautbarung „geleakt“ werden darf. Denn die Hedgefonds-Manager erhielten dadurch einen gewaltigen Marktvorteil.

„Interner Fehler“

Sie wussten, dass mehr Geld im Anmarsch ist – und zwar ganze 14Stunden, bevor die EZB es offiziell verlautbarte. Auf Anfrage der „Presse“ hieß es dazu aus Frankfurt, dass eine zeitnahe Veröffentlichung der Rede am Montagabend geplant gewesen sei, dass aber ein „interner Verfahrensfehler“ dies verhindert habe. Deswegen wurde die Öffentlichkeit erst am Dienstagmorgen über den Plan informiert.

Aber da war der Schaden bereits angerichtet, wie man am Eurochart ablesen kann. Der Euro gab am Montagabend schon um 0,44 Prozent nach. Am Dienstag, als die geldpolitische Lockerung der EZB öffentlich wurde, kam dann der große Fall: minus 1,24Prozent binnen einer Stunde. Die Börsen verhielten sich erwartungsgemäß und gingen in die andere Richtung.

Nun kann freilich niemand beweisen, dass der auffällige erste Einbruch des Eurokurses direkt mit Coeurés Rede zu tun hatte – aber auffällig ist es allemal. Und es zeigt, wie das kuschelige Verhältnis zwischen den „Währungshütern“ und den „Masters of the Universe“ an den Börsen die kleinen Anleger benachteiligt.

AUF EINEN BLICK

Die Ankündigung der EZB, ihr Gelddruck-Programm im Mai und Juni auszuweiten, schickte den Euro Montag und Dienstag auf Talfahrt. Das Problem: Am Montag wusste nur eine kleine Runde von Hedgefonds-Managern, die einer Rede von EZB-Direktor Coeuré lauschte, von der Entscheidung. Die Öffentlichkeit wurde erst am Dienstag informiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2015)

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