Das Patriarchat zeigt wieder seine frauenverachtende Fratze. . .

Auf der Suche nach einem krisenfesten Beruf mit Zukunft, der nicht durch Roboter ersetzt werden kann? Dann werden Sie Gleichstellungsbeauftragte(r)!

Was sich dieser Tage in der bayerischen Stadt Passau ereignete, kann nicht anders beschrieben werden denn als eine der widerwärtigsten Attacken auf die Errungenschaften des deutschsprachigen Feminismus seit Menschengedenken. Kalt wie selten zeigte das neoliberale Patriarchat wieder einmal seine hässliche, frauenverachtende Fratze. Und das ausgerechnet an der ehrwürdigen Universität von Passau.

Im Rahmen eines sommerlichen Sportfestes schrieben die Studenten „einen Wettbewerb aus, bei dem Burschen über Hindernisse und Leitern möglichst schnell die Kammer einer Angebeteten erklimmen sollten. Früher war es ein gängiger Brauch, dass ein Liebhaber auf diese Weise in das Zimmer seiner Geliebten gelangen wollte, um ihr seine Zuneigung zu zeigen“ („Süddeutsche Zeitung“).

Zum Glück bekam die staatlich alimentierte Gleichstellungsbeauftragte der Uni von dem skandalösen Vorhaben – das sogenannte „Fensterln“ als Gaudi-Einlage zwischen sportlichen Wettbewerben coram publicum aufzuführen – rechtzeitig Wind. Mit dem für das Milieu der Genderkommissare und Gleichstellungsblockwarte typischen Humor wies sie die Studenten darauf hin, dass sie eklatant „gegen das Gleichstellungskonzept der Universität Passau verstießen“ und „die Frau zum Objekt degradieren“ würden.

Die feige Ausrede der Studenten, „wir wollten eigentlich nur einen sportlichen Wettkampf mit kulturellem Hintergrund anbieten“, entlarvte die Gleichstellungsbeauftragte scharfsinnig als reaktionär-patriarchalisches Konstrukt zur Knechtung der Frau und verhinderte die Veranstaltung gleichsam in letzter Sekunde.

Ein Triumph des real existierenden etatistischen Feminismus, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn jene im Alpenraum tradierte Form der Offline-Anbahnung („Fensterln“) zwischen den Geschlechtern degradiert die Frau ja tatsächlich ebenso zu einem Objekt wie das nicht minder verwerfliche „In-den-Mantel-Helfen“, „Die-Türe-Aufhalten“ und andere frauenverachtende männliche Übergriffe, die leider noch immer nicht vom Sexualstrafrecht mit Haftstrafen geahndet werden.

Dazu kommt, dass das „Fensterln“, und sei es auch nur als vermeintlich harmlose Gaudi, noch aus einer Reihe anderer Gründe zumindest rigider staatlicher Reglementierung bedarf. Bloß die zwischenmenschlichen Aspekte zu regulieren, greift nämlich zu kurz. Denn auch unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten erscheint diese Form der Zuneigungsbekundung höchst problematisch.

Die traditionell übliche Verwendung von Leitern birgt bekanntlich die Gefahr von Abstürzen mit sich, weshalb Helmpflicht, Airbags und jährliche technische Überprüfungen der Leitern samt Pickerl-Pflicht dringend geboten erscheinen. Gerade im alpinen Raum wird darüber hinaus auch die Problematik des Alkoholkonsums im Umfeld des „Fensterlns“ regulatorischen Handlungsbedarf ergeben; die Einführung einer 0,5-Promille-Grenze samt scharfer Kontrollen wird dabei ernsthaft zu diskutieren sein.

Sogar dem Friedensprojekt Europa könnte dieses verantwortungslose Treiben schaden. Denn da es sich beim „Fensterln“ um einen Brauch handelt, der außerhalb des deutschsprachigen Alpenbogens nicht üblich ist – dort werden zur Anbahnung ja eher Apps verwendet –, haben wir es letztlich mit einem Fall von finsterem Anbandel-Nationalismus zu tun, der die Entwicklung hin zu einem europäischen Normmenschen mit einheitlichen Lebensgewohnheiten behindert. Ein klarer Verstoß gegen den erotischen EU-Binnenmarkt somit.

Die Passauer Studenten überlegen jetzt, ob sie das „Fensterln“ gendergerecht durchführen, indem auch junge Frauen die Leitern erklimmen. Unklar ist freilich noch, inwieweit das traditionelle Tragen von Dirndlkleidern beim Erklimmen der Leitern nicht abermals den Tatbestand der Degradierung zum Objekt darstellt. Gleichstellungsbeauftragte(r) scheint ein echter Zukunftsberuf zu sein.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2015)

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