Autobranche vor dem Kahlschlag

(c) AP (Markus Leodolter)
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Die Autohersteller leiden unter dramatischen Überkapazitäten. Laut Magna können weltweit 80 Millionen Autos gefertigt werden. Gebraucht werden um 20 Millionen weniger.

Wien. Der austro-kanadische Industrielle Frank Stronach wird vermutlich nicht ganz falsch liegen, wenn er meint, dass „wir vor einer gewaltigen Krise stehen und der Tiefpunkt noch lange nicht erreicht ist“. Diese generelle Einschätzung der wirtschaftlichen Lage dürfte nicht zuletzt auf die Autoindustrie selbst zutreffen. Wie schlimm es die Branche erwischt hat, zeigt ein kurzer Blick nach Nordamerika: Innerhalb weniger Monate ist dort der Absatz um 40 Prozent eingebrochen, wie Stronach am Donnerstagabend vor Journalisten in Wien erklärte.

Besorgniserregend für die Autobauer und deren Zulieferer sind insbesondere die weltweit vorhandenen Überkapazitäten. Laut Magna-International-Chef Siegfried Wolf können derzeit weltweit 80 Mio. Fahrzeuge (Pkw und Kleinlaster) pro Jahr gebaut werden. Nachgefragt werden bestenfalls 60 Mio.

Das sind nicht die einzigen schlechten Nachrichten für die Autobauer. So dürfte die schwache Nachfrage kein vorübergehender Zustand sein, sondern ein dauerhafter. Die Autobranche war nämlich selbst Teil einer gigantischen Konsumblase: Billiges Geld und eine lockere Kreditvergabe machten plötzlich das Zweit- und Drittauto möglich, womit die Nachfrage künstlich aufgebläht wurde. Dem hat die Finanzkrise ein Ende gesetzt. Oder wie es die Unternehmensberater von Roland Berger gegenüber der APA formulieren: „Die Zeit der Strukturanpassung ist da, da führt kein Weg vorbei.“

Anbieter werden verschwinden

Einige Autobauer werden also vom Markt verschwinden. Vor allem in den gesättigten Märkten Europas und Nordamerikas, wo auch die aufgebauten Überkapazitäten anzutreffen sind. Berichte, wonach Magna mit der Übernahme der GM-Tochter Opel einen aktiven Part in der Strukturbereinigung zu spielen versucht, wollen die Magna-Spitzen nicht kommentieren.

Gesprächiger ist Stronach, wenn es um die Zukunft seiner größten Abnehmer geht. So meint der Industrielle, dass sowohl General Motors als auch Chrysler unter Gläubigerschutz gestellt werden (Chapter 11, vergleichbar mit einem Ausgleichsverfahren). „Jeder bekommt einen Haarschnitt verpasst. Alle müssen etwas abgeben (Gläubiger, Gewerkschaften, Lieferanten, Anm.). Man muss nur aufpassen, dass man am Ende nicht seinen Skalp verliert“, so Stronach.

Abgeben müssen auch die Magna-Beschäftigten in Österreich. Laut Wolf hat die Belegschaft mehrheitlich einem Gehaltsverzicht zugestimmt, gestaffelt nach der Einkommenshöhe: Bezieher von bis zu 50.000 Euro brutto im Jahr werden auf fünf Prozent Lohn verzichten, Bezieher von mehr als 150.000 Euro auf ein Fünftel. „Wir sind ein gesunder Betrieb, müssen aber auch dafür sorgen, dass es so bleibt“, meint Stronach.

„Regierungen haben versagt“

Das allein wird Magna freilich nicht durch die Krise helfen. Sorgen macht sich Stronach aber weniger um Magna als um die Lage der mittelständischen Wirtschaft. Der Staat müsse jenen Betrieben helfen, die prinzipiell gesund seien, aber aufgrund der Finanzkrise kein Geld von den Banken bekommen. Schließlich sei der Staat auch schuld an dem Schlamassel. „Die Regierungen haben versagt“, sagt Stronach. Sie hätten das Finanzwesen einer viel zu schwachen Regulierung unterworfen und dann auch noch die Kontrolle der zu laxen Regeln vernachlässigt.

„Staat soll Fonds organisieren“

Was der Staat nun tun soll? „Die Oesterreichische Nationalbank sollte einen Wirtschaftsfonds auf die Beine stellen, der Unternehmen mit Kapital versorgt“, so Stronach. In diesen Fonds sollten vor allem private Geldgeber investieren. Das würden sie laut Stronach auch tun, so die Republik eine Garantie für das eingezahlte Kapital übernimmt. Investoren könnten rund fünf Prozent Zinsen für ihre Einlagen bekommen, die zu sechs Prozent an Betriebe verliehen werden. In einem ersten Schritt könnten so zwei Mrd. Euro, in der Folge bis zu 20 Mrd. Euro aufgetrieben werden. Mit einer derartigen Summe könnte auch die Kreditklemme gelockert werden.

Magna selbst will kein Geld aus dem vorgeschlagenen Fonds ziehen. Vielmehr könne sich Stronach vorstellen, als Investor aufzutreten. „Wir sind kerngesund, haben keine Schulden, sondern sitzen auf 1,5 Mrd. Euro Cash.“ Wie lange ein derartiger Betrag ausreicht, um die hartnäckige Absatzflaute auszusitzen, vermag derzeit freilich niemand zu sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2009)

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