Straßen-Befragung am Rande des Streiks in Wien: Die österreichischen Schüler wollen mehr Mitsprache und kritisieren ihre politisch beeinflusste Vertretung.
WIEN(pri). Sie lassen sich nicht zweimal bitten, die österreichischen Schüler, wenn sie nach ihren Verbesserungsvorschlägen für das Bildungssystem gefragt werden. Denn die schulautonomen Tage sind bei Weitem nicht das einzige Anliegen, das den Jugendlichen derzeit unter den Nägeln brennt, wie „Die Presse“ am Rande des Schülerstreiks am Freitag vor dem Parlament in Erfahrung brachte.
Sebastian Eggert zum Beispiel, 17-jähriger Gymnasialschüler aus Wien, würde gerne mehr in den Unterricht eingebunden werden: „Wir wollen die Themen selber erarbeiten, alleine oder in Gruppen“, sagt er. Das würde bedeuten: Weg vom Frontalunterricht. Und bitte nicht mehr den Notenschwerpunkt auf die Schularbeiten legen.“ Stephan Prieler, ebenfalls 17, ebenfalls Gymnasiast in Wien, pflichtet bei: „Die Lehrer sollen nicht alles einfach auf die Tafel pracken. Wir wollen selbstständiger arbeiten.“
Der 14-jährige René Aigner besucht eine kooperative Mittelschule in Wien, er hat 29 Klassenkollegen, das ist ihm eindeutig zu viel, denn: „Da bleiben manche, die schwächer sind, auf der Strecke. Wir bräuchten eigentlich zwei Lehrer – oder man teilt die Klasse.“
Ethik- statt Religionsunterricht
In der Maturaklasse einer Wiener Schule für Kindergartenpädagogik sind die Probleme schon anders gelagert: „Kein Religionsunterricht mehr, stattdessen Ethik“, das wünscht sich Benedikt Fex gleichsam für die Generation nach ihm, denn seine Schulzeit ist demnächst vorbei. Aber warum eigentlich Ethik? „Weil ich finde, dass Religion unsere Privatsache ist“, sagt Fex.
Und noch etwas stört den 19-Jährigen: „Die Schülervertreter handeln mehr aus Eigeninteresse. Die Karriere ist ihnen großteils wichtiger als die Anliegen jener, die sie eigentlich vertreten sollten: der Schüler“, meint Fex. Sein Verdacht lautet: „Sie werden zu sehr von den jeweiligen Parteien beeinflusst.“
Die 18-jährige Sandra Svatunek, HAK-Schülerin im niederösterreichischen Gänserndorf, fordert hingegen „mehr Mitspracherecht in der Schule“. Ihre Klassenkollegin Stefanie König, auch 18 Jahre jung, meint, dass die Lehrer zu wenig verdienen: „Viele sind deshalb demotiviert. Darunter leidet dann auch die Qualität des Unterrichts.“
Ähnlich argumentiert Lukas Spring, 16-jähriger AHS-Schüler aus Wien: „Der Lehrerberuf müsste attraktiver gestaltet werden“, sagt er. Wie er das machen würde, wenn er Unterrichtsminister wäre? „Wenn man höhere Gehälter zahlt, würden mehr Menschen diesen Beruf anstreben. Dann gäbe es auch bessere Lehrer.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2009)