Die Debatte um das Bankgeheimnis gefährdet die Steuerreform. Ausgerechnet die Grünen könnten der ÖVP-Spitze im Konflikt mit dem Wirtschaftsbund zu Hilfe kommen.
Wien. Das Bankgeheimnis ist ein typischer Fall, wie eine große politische Debatte praktisch aus dem Nichts entstehen kann. Den Start bildete eine Rede des steirischen ÖVP-Landeschefs Hermann Schützenhöfer vor lokalen Wirtschaftsbund-Funktionären in Graz. Schützenhöfer sagte das, was die Funktionäre gern hören wollten, dass man nämlich die Kontenöffnungen nicht so einfach hinnehmen dürfe.
Das wäre möglicherweise untergegangen, wäre nicht im Publikum ein „Presse“-Redakteur gesessen, der an einer Reportage über den steirischen Wahlkampf arbeitete. Danach ging es Schlag auf Schlag. Justizminister Wolfgang Brandstetter äußerte Bedenken, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl wollte neue Verhandlungen zum Thema Bankgeheimnis starten, auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Landeshauptmann Erwin Pröll sprachen sich gegen gläserne Konten aus. Und damit ist in der ÖVP Feuer am Dach.
Die Opposition sieht ohnehin ihre Chance gekommen, die ungeliebte Maßnahme zu Fall zu bringen. Neos und Team Stronach werden heute, Dienstag, gemeinsam eine Sondersitzung des Nationalrats zum Thema verlangen, die dann innerhalb von acht Tagen stattfinden muss. Die FPÖ will gar ein Volksbegehren gegen gläserne Konten – und gegen Aktenschwärzungen im Untersuchungsausschuss – einbringen.
Eine andere Strategie verfolgen die Grünen: Sie haben sich zu Verhandlungen über das Bankgeheimnis bereit erklärt. Für die Aufhebung ist nämlich eine Zweidrittelmehrheit notwendig, und die bekommt die Koalition nur, wenn entweder Freiheitliche oder Grüne zustimmen. Der Plan der Grünen: Sie wollen, dass nicht Finanzbeamte, sondern Richter über den Einblick in die Konten entscheiden. Und sie wollen Arbeitnehmer vor der Neugier der Finanzbehörden geschützt wissen. Für die Grünen ist das keine ungefährliche Vorgangsweise: Sie werden von den anderen Oppositionsparteien unter Beschuss genommen, weil sie die Aufhebung des Bankgeheimnisses ermöglichen – egal, wie die Regelung letztlich im Detail aussieht.
Das härteste Match spielt sich aber innerhalb der ÖVP ab. Parteichef Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling sehen sich verärgerten Wirtschaftsbund-Funktionären gegenüber, die sich bei der Steuerreform über den Tisch gezogen fühlen. Da geht es nicht nur um das Bankgeheimnis, sondern auch um die Registrierkassen-Pflicht, die höhere Immobilien-Besteuerung und die zusätzlichen Abgaben beim Vererben. Die Steuerreform, die eigentlich als größter Erfolg der Regierung verkauft werden sollte, wird so zum PR-Desaster – zumindest für die ÖVP-Fraktion in der Regierung.
Von der SPÖ haben Mitterlehner und Schelling wenig Hilfe zu erwarten. Kanzler Faymann und sein Team können froh sein, dass sie trotz Verzicht auf Vermögenssteuern nur wenig Kritik aus den eigenen Reihen einstecken mussten. Sie werden sich hüten, das Paket ausgerechnet bei der Betrugsbekämpfung aufzuschnüren, die ja als Ersatz für die Vermögenssteuern verkauft wurde. Klubchef Andreas Schieder hat folgerichtig schon angekündigt, er erwarte, dass die ÖVP zum Verhandlungsergebnis steht.
Und so werden kurioserweise die Grünen zur größten Hoffnung für die ÖVP-Spitze. Ihre Forderung nach richterlicher Kontrolle der Einsicht in die Konten kann man sowohl den eigenen Funktionären als akzeptablen Kompromiss verkaufen als auch der SPÖ als politische Notwendigkeit schmackhaft machen, um die notwendige Zweidrittelmehrheit doch noch zu erhalten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)