Entlang der Grenze beider Staaten auf der malaiischen Halbinsel werden immer mehr Massengräber von Flüchtlingen aus Bangladesch und Burma entdeckt.
Bangkok. Sie sind in Boote gestiegen, um Armut, Verfolgung und Unterdrückung zu entfliehen. Doch für viele der Bootsflüchtlinge, die sich in den vergangenen Jahren von Burma und Bangladesch aus auf die Reise in reichere Staaten Südostasiens begeben haben, um ein neues Leben zu beginnen, hat die Fahrt in einer Katastrophe geendet: Sie wurden verkauft, als Geiseln gehalten, geschlagen, vergewaltigt. Viele wurden ermordet.
Nach und nach kommen Details über die brutalen Praktiken der Menschenhändler ans Tageslicht: Malaysias Polizei hat Gräber im Dschungel an der schmalen Landgrenze zu Thailand entdeckt, in denen die sterblichen Überreste von Flüchtlingen liegen. An mindestens 139 Orten haben die Kriminellen Leichen verscharrt. In vielen der Gräber liegen mehrere Tote, erklärte Malaysias Polizei, es gehe daher um mehrere hundert Opfer.
Konnten die Behörden das nicht wissen?
Erst vorigen Monat hatte die Polizei in Thailand Überreste von 30 Flüchtlingen entdeckt. Sie lagen wenige hundert Meter vor der Grenze zu Malaysia auf der malaiischen Halbinsel. Überlebende sagen, dass Menschenhändler dort hunderte Flüchtlinge als Geiseln gehalten und misshandelt hätten. Die BBC fand heraus, dass die Kriminellen ganze Ortschaften dafür bezahlt hatten, die Flüchtlinge festzuhalten. Die Gräber in Malaysia liegen ebenfalls haarscharf an der Grenze. Wie in Thailand stellt sich auch hier die Frage, wie die Banden ohne Wissen der Behörden agieren konnten: Die Grenze ist beidseits durch Polizei und Armee stark gesichert.
Viele Flüchtlingen, jedenfalls jene aus Burma, sind muslimische Rohingya, eine verfolgte Minderheit. Burma erkennt die Rohingya, die mit den Bengalen in Bangladesch ethnisch verwandt sind, nicht als Staatsbürger an. Nationalisten haben in den vergangenen Jahren Pogrome gegen diese Ethnie angezettelt, bei denen Dörfer und Stadtteile zerstört wurden. Zigtausende Rohingya leben in Burmas westlichem Rakhine-Staat unter inhumanen Bedingungen in Flüchtlingslagern.
Flüchtlinge von alter Heimat verhöhnt
In den vergangenen Jahren haben Schleuser auch immer mehr Bangladescher in Richtung Malaysia gebracht. Recherchen zeigen, dass der Handel mit ihnen für die Schleuser so rentabel war, dass sie in Bangladesch für die Fahrt nach Malaysia geworben haben. Von ihrer Regierung können die Betroffenen nicht mit Hilfe rechnen. Bangladeschs Premierministerin, Sheikh Hasina, erklärte, die Flüchtlinge „besudelten das Ansehen des Landes“. Ihre Versuche zu fliehen, hätten sie „geisteskrank gemacht“. Hasina kündigte an, Flüchtlinge und Schlepper zu bestrafen.
Rund 3000 Menschen sind seit Anfang Mai in Malaysia und Indonesien angekommen. Die meisten seien „in desolatem Zustand“ gewesen, hieß es. Das bisher in Europa weniger bekannte Schicksal der hiesigen Flüchtlinge verschärfte sich seit Wochen. Nach den Funden von Massengräbern überließen die Schleuser tausende Flüchtlinge auf der Andamanensee auf Booten ihrem Schicksal. Mehrere Staaten Südostasiens weigerten sich, sie an Land zu lassen. Überlebende, die von Fischern gerettet wurden, erzählten von Chaos und Morden, als auf See die Lebensmittel ausgingen.
Nach einem internationalen Aufschrei erklärten sich Malaysia und Indonesien vorige Woche bereit, Rettungsaktionen zu starten und Flüchtlingsboote vorerst nicht mehr abzuweisen. Thailand, derzeit vom Militär regiert, ziert sich noch; es hieß nur, man werde Flüchtlingen helfen. Konkrete Such- und Rettungsaktionen haben jedoch nur Malaysia und Indonesien begonnen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)