Österreichs Wettbewerbsfähigkeit erreicht ihren historischen Tiefpunkt. Schuld daran seien vor allem die Politiker, sagt das IMD. Für AK-Direktor Muhm ist diese Feststellung „wertlos“.
Wien. Der wirtschaftliche Abstieg Österreichs ist eine Realität. Dieser Befund des Lausanner Instituts für Management-Entwicklung (IMD) kommt angesichts der schwachen Wirtschafts- und Einkommensentwicklung im Land wohl nicht gerade überraschend. Die Rasanz, mit der Österreich in Sachen Wettbewerbsfähigkeit zurückfällt, ist dennoch alarmierend. Im aktuellen Standort-Ranking des IMD erreicht Österreich nur noch Platz 26 von 61 untersuchten Ländern – und liegt damit so schlecht wie nie zuvor in den knapp zwanzig Jahren, in denen diese Untersuchung durchgeführt wurde. In den vergangenen acht Jahren entwickelte sich der Wirtschaftsstandort vom Hoffnungsträger (Platz elf) zum Durchschnittskandidaten
Österreicher müssten später in Pension gehen, ein besseres Schulsystem entwickeln und die Staatsausgaben in den Griff bekommen, so die Empfehlungen der Schweizer Experten an die heimische Regierung. Man darf gespannt sein, ob die (wiederholte) Warnung diesmal ankommt.
Werner Muhm, Direktor der Arbeiterkammer und einflussreicher Berater von SPÖ-Kanzler Werner Faymann, hatte sein Urteil am Mittwoch rasch gefällt: „Wertlos“ seien all diese Rankings, die den Abstieg des Landes dokumentieren – und sicher keine Grundlage für eine gute Regierungsarbeit. Schließlich würden darin auch Unternehmer und Führungskräfte um ihre Meinung gefragt. Von ihnen würden manche das Land eben gerne schlechtreden. Bei den „Hard Facts“ stehe Österreich viel besser da als in den „unwissenschaftlichen Rankings“.
Mehr geben, als man hat
Tatsächlich basiert die IMD-Studie zu einem Drittel auf einer Befragung von heimischen Managern. Zwei Drittel steuern jedoch die Statistiker bei. Und wer die Studie liest, merkt, genau bei diesen „Hard Facts“ schneidet der Wirtschaftsstandort besonders schlecht ab.
Eine kleine Auswahl:
Die Republik Österreich nimmt seinen Bürgern 42,5 Prozent von dem, was sie erwirtschaften, in Form von Steuern und Gebühren wieder ab (Platz 55). Da der Staat aber Geld in einem Volumen von 52,3 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgeben will (Platz 56), wachsen die Staatsschulden auf knapp 87 Prozent des BIP (Platz 49) an. Sollte dahinter die Strategie stehen, mit hohen Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln, so kann man ihr gerade beim Scheitern zusehen. Im Vorjahr schrumpfte die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf hierzulande um 0,4 Prozent (Platz 54), internationale Geldgeber investierten nur noch 4,9 Milliarden US-Dollar (Platz 36), und die einst konkurrenzlos niedrige Arbeitslosigkeit ist mittlerweile auch Schnee von gestern (Platz 22).
So viel zu den „Hard Facts“. Sicher, Österreich ist immer noch ein reiches Land, aber auch ein teures. Kaufkraftbereinigt reicht die absolute Wirtschaftsleistung nur noch für die schwächere Hälfte (37. Platz.) Und ganz unbemerkt ist der langsame Abstieg auch andernorts nicht geblieben: Können wir uns wirklich entspannt zurücklehnen, wenn etwa die EU-Kommission Österreich mittlerweile zu den ökonomischen Schlusslichtern zählt?
Im heurigen Jahr kann die heimische Wirtschaft nach Einschätzung der Brüsseler Experten gerade noch mit einem Mini-Aufschwung von 0,8 Prozent rechnen. Ähnlich langsam entwickeln sich in der EU nur Italien, Frankreich, Griechenland und Zypern.
Wie es anders geht, verrät ein Blick auf das andere Ende des IMD-Rankings. Neben den drei Spitzenreitern USA, Hongkong und Singapur sind dort aus Europa die Schweiz, Norwegen, Dänemark, Schweden und Deutschland zu finden.
Arbeit wird stetig teurer
Während die USA vor allem von der hohen Innovationskraft und dem starken Finanzsektor profitiert, haben einige europäische Kandidaten in den Top Ten umfassende Strukturreformen hinter sich gebracht, um da zu stehen, wo sie heute sind. Schweden hat in den 1990er-Jahren seinen Staatshaushalt saniert, Deutschland hat einschneidende Reformen auf dem Arbeitsmarkt durchgeführt und wird dadurch bald billiger als Österreich. Die Früchte all dessen lassen sich an vielen „Hard Facts“ ablesen. Einige davon hat das IMD für sein Ranking zusammengetragen. Alle sind das noch lange nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2015)