Tories wollen „nicht einen Augenblick verschwenden“

Britain´s Queen Elizabeth delivers the Queen´s Speech next to Prince Phillip during the State Opening of Parliament in the Palace of Westminster in London
Britain´s Queen Elizabeth delivers the Queen´s Speech next to Prince Phillip during the State Opening of Parliament in the Palace of Westminster in London(c) REUTERS (POOL)
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EU-Volksabstimmung, Steuererleichterungen und scharfe Maßnahmen gegen Terrorismus im Regierungsprogramm.

London. Mit der traditionellen Queen's Speech hat in Großbritannien am gestrigen Mittwoch eine konservative Alleinregierung das Amt übernommen. Queen Elizabeth II. verlas im House of Lords die Liste der Vorhaben des Kabinetts von Premierminister David Cameron, der seinerseits versprach: „Wir wollen ein Land, das jene unterstützt, die hart arbeiten und das Richtige tun.“

Zentrales Vorhaben ist die Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union, die wie angekündigt bis spätestens Ende 2017 stattfinden wird. Dazu wird die Regierung einen Gesetzesantrag im Unterhaus einbringen. Konkret soll die Frage an die Briten dem Vernehmen nach lauten: „Soll Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleiben?“ – eine von Befürwortern favorisierte, positive Formulierung. Zur Teilnahme an dem Referendum werden dieselben Bürger berechtigt sein wie bei den Parlamentswahlen.

Gestärkt durch seinen überraschenden Wahlsieg am 7. Mai, bei dem die Konservativen eine absolute Mehrheit von zwölf Sitzen gewinnen konnten, will Cameron die EU-Partner nun in einer diplomatischen Offensive von seinem Wunsch nach einer Reform der Union überzeugen. Er wird heute die Niederlande und Frankreich sowie am Freitag Polen und Deutschland besuchen. Zu Wochenbeginn erklärte er EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einem Treffen: „Die Briten sind nicht zufrieden damit, wie die EU funktioniert.“

London zeigt konstruktive Haltung

Cameron will einen Verbleib Großbritanniens in der EU, aber die Kompetenzen der Union einschränken und sein Land von weiterer Integration ausnehmen. Während EU-Führer wie Juncker London „einen fairen Deal“ in Aussicht stellen und einen britischen Austritt („Brexit“) verhindern wollen, wurde ein von „Le Monde“ am Dienstag veröffentlichtes deutsch-französisches Geheimpapier für den EU-Gipfel Ende Juni, das von weiterer „wirtschafts-, steuer- und sozialpolitischer Konvergenz“ spricht, als Rückschlag für die britischen Bemühungen gesehen. London zeigt sich derzeit jedoch betont um konstruktive Haltung bemüht. Das äußerte sich gestern auch darin, dass die Regierung auf die Ersetzung eines Gesetzes, mit dem die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in nationales Recht übertragen wird, verzichtete und stattdessen „Beratungen“ ansetzte. Kritiker wie der konservative frühere Generalanwalt Dominic Grieve warnten bei einer Ersetzung der EMRK durch ein „britisches Menschenrechtsgesetz“ vor schweren „Reputationsschäden“. Befürworter eines derartigen Schritts vom rechten Parteiflügel wollen hingegen sicherstellen, dass britische Gerichte nicht mehr aus Luxemburg oder Straßburg overruled werden können. Mit der Konsultation ging Cameron einem Affront gegen Europa aus dem Weg.

Kampf gegen illegale Einwanderung

Auch innenpolitisch zeigte er sich um Konsens bemüht: „Wir wollen für ein geeintes Volk regieren“, hieß es in der Rede. Die Regierung will bis 2020 keine Steuererhöhungen vornehmen, die Bemessungsgrundlagen für Arbeitnehmer erhöhen, die Kinderbetreuung ausweiten und den Kauf von Sozialwohnungen erleichtern. Cameron versprach: „Ein Land der Sicherheit und Gelegenheit für alle.“ Die weniger angenehmen Details des nächsten Haushalts mit bereits angekündigten Kürzungen der Sozialausgaben um zwölf Milliarden Pfund (17 Milliarden Euro) wird Schatzkanzler George Osborne am 7. Juli vorstellen.

Den schottischen Nationalisten will die Regierung weitere Zugeständnisse anbieten. Aber auch die Stärkung der anderen Landesteile, darunter das umstrittene „englische Stimmen für englische Gesetze“, steht auf der Vorhabensliste. Im Kampf gegen den Terrorismus soll die Vorratsdatenspeicherung kommen. Illegale Einwanderung wird durch drastische Maßnahmen wie die Beschlagnahme der Einnahmen von Schwarzarbeitern bekämpft.

Die Tatsache, dass die Regierung nur eine hauchdünne Mehrheit hat, nützt dem Premier. Selbst interne Gegner halten derzeit an der Parteidisziplin fest und vermeiden Druck auf den Premier in der EU-Frage mit radikalen Forderungen, und die Opposition ist führungs- und orientierungslos. Der Premier scheint entschlossen, diesen Spielraum rasch und maximal zu nützen, so lange er ihn genießt. Cameron: „Wir werden nicht einen Augenblick verschwenden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2015)

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