Sicherheit auf dem Zebrastreifen

Fußgänger auf dem Schutzweg
Fußgänger auf dem SchutzwegTeresa Zötl
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Straßen zu überqueren ist selbst auf Schutzwegen oft unsicher. Ein neues Software-Werkzeug soll Verkehrsplaner dabei unterstützen, die beste Querungshilfe zu finden.

Nach links und rechts schauen, bevor man die Straße überquert. Immer den Schutzweg benutzen, denn dort haben Fußgänger Vorrang: Von klein auf lernt jedes Kind, wie man sich im Straßenverkehr richtig verhält.

Der Schutzweg gilt als die sicherste Querungshilfe. Oft zu Unrecht. Wo das Straßenumfeld, sprich Sichtweite, gefahrene Geschwindigkeiten oder Fahrbahnbreite weniger optimal sind, kommt es mitunter zu gefährlichen Situationen. Diese endeten laut Verkehrsunfallstatistik der Jahre 2009 bis 2013 im Schnitt für 13 Fußgänger tödlich. Beim Überqueren der Straße wurden 360 Personen auf geregelten und 704 auf ungeregelten Schutzwegen verletzt.

Ein Problem, für das Forscher des Austrian Institute of Technology (AIT) nach einer Lösung suchen. Im Forschungsprojekt Observe – Evaluierung von Querungsstellen mittels risikobasierter Bewertungsverfahren folgen Christian Stefan und Michael Aleksa einem risikobasierten Ansatz. „Nicht die Unfallzahl, sondern das Risiko steht im Mittelpunkt, und wir ziehen verschiedene Alternativen zum Schutzweg in Betracht“, erklärt Stefan.

Benutzerfreundlich bewerten

Ob ein Schutzweg nötig ist oder nicht, wird derzeit anhand von Verkehrsstärke, Fußgängerfrequenz und Geschwindigkeit des Fahrzeugverkehrs bestimmt und beruht auf der Einschätzung von Sachverständigen. Eine detaillierte Analyse der unterschiedlichen Querungshilfen ist aufgrund der nicht vorhandenen Datenbasis derzeit nicht möglich. Deshalb arbeiten Stefan und Aleksa seit Jänner im Rahmen von Observe, das durch den Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds (VSF) des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert wird, an einem benutzerfreundlichen Bewertungstool.

Dessen Basis ist ein Algorithmus, für den erstmals – auch im internationalen Vergleich – eine große Menge verschiedenster Daten erhoben und analysiert wird und eine Standardisierung ermöglicht. Nur eine geringe Anzahl an Parametern, die den betreffenden Standort charakterisieren und die sich einfach und unkompliziert erheben lassen, müssen von den Anwendern eingegeben werden.

Mittelinsel statt Schutzweg?

Je nach Einzelfall ist es gut möglich, dass nicht ein Schutzweg, sondern eine Mittelinsel oder Gehsteigvorziehungen die höchste Verkehrssicherheit versprechen.

Ziel ist, die Zahl der Verletzten und Getöteten im Straßenverkehr so weit wie möglich zu reduzieren. Das Risikokonzept eignet sich dafür besser als die Orientierung an den reinen Unfallzahlen, wie derzeit in Österreich üblich.

International gesehen ergaben Evaluierungen, dass risikobasierte Ansätze die beste Methode sind, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. „Das Innovative an unserem Projekt ist die umfassende Datenbasis. Weder in den USA noch in Australien, das hier schon sehr weit ist, hat man das gemacht. Wir wollen zwanzig bis dreißig Parameter zu Querungshilfen analysieren“, berichtet Aleksa. „Das reicht von Videoanalysen zum Fahrverhalten oder zur Interaktion zwischen Fußgängern und Fahrzeuglenkern bis zum Straßenumfeld“, konkretisiert der Verkehrssichterheitsexperte. In drei heimischen Städten werden rund fünfzig Querungsstellen unter die Lupe genommen. Mit dieser Datenbasis werden wichtige Einflussfaktoren wie Geschwindigkeit und Anhaltebereitschaft bei der Wahl der optimalen Querungshilfe ermittelt.

„Das Ganze soll möglichst realitätsnah sein. Wir adaptieren bestehende Modelle an die örtliche Verkehrssituation und können unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen mittels Videoanalysen auch das Fahrverhalten berücksichtigen“, betont Stefan. Zugute kommt den Forschern dabei die Definition von Risiko, welche zwei Ebenen, nämlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß, berücksichtigt.

Mithilfe des Algorithmus lässt sich dann berechnen, wie sich eine Maßnahme, etwa um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu reduzieren, auf das Risiko auswirkt. Im laufenden Projekt befasst sich das Team mit der Analyse des Unfallgeschehens und der Clusterung ähnlicher Querungshilfen.

Digitale Informationen helfen

Die Umstellung seitens der Exekutive auf digitale Verkehrsunfallaufnahme vor wenigen Jahren liefert nun noch mehr Details, was für die Experten von Vorteil ist. Der Grad an Detailliertheit, den das Team in den kommenden eineinhalb Jahren im Rahmen von Observe erreichen will, ist bis dato aber unerreicht. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann in die entsprechenden Richtlinien Eingang finden.

Wie sich Maßnahmen tatsächlich auf die Verkehrssicherheit auswirken, könnte dadurch bereits vorab besser eingeschätzt werden. Letztlich soll das Bewertungstool der Bevölkerung ein Plus an Sicherheit bringen. Ein gewisses Restrisiko bleibt dennoch bestehen, und so verliert die Empfehlung, zuerst nach links und rechts zu schauen, auch in Zukunft nichts an Gültigkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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