Die neue Liebe zum Eis

Lisa und Giorgio Leone
Lisa und Giorgio Leone Die Presse
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Nach Third Wave Coffee und Craft Bier wird jetzt das Eis wiederentdeckt – genau genommen das Handwerk dahinter, wie die neuen Eissalons zeigen.

Der Eissalonbesitzer ist ein bisschen der Tellerwäscher Wiens. Mit wenig Aufwand und etwas Glück kann man – auch ohne Ausbildung, Beziehungen oder großes Startkapital – in kurzer Zeit zwar nicht Millionär werden, aber immerhin einiges Geld verdienen und sein eigener Herr sein. Fast möchte man meinen, so mancher vermutet hinter dem Geschäft mit dem Eis eine Goldgrube.

Natürlich, Eis-Greissler und Veganista gibt es schon seit ein paar Jahren. Sie haben vorgegeben, dass ein Eissalon nicht so sein muss, wie man ihn kennt – Massenabfertigung, italienisch anmutende, immer freundliche Kellner, neutrales Design und Eis, auf das sich jeder einigen kann. Aber mit dieser Saison haben verdächtig viele neue kleine Eissalons eröffnet, die sich zwar alle auf ihre Nische spezialisieren, aber dennoch eines gemeinsam haben: Sie sind authentisch und setzen auf Handwerk und Qualität. Nach Kaffee (Third Wave) und Bier (Craft) dürfte nun das Eis wiederentdeckt werden. Hinter den neuen Eissalons stehen oft junge Quereinsteiger – gern aus der Kreativbranche – die schon immer ein Faible für das Kulinarische hatten und sich nun trauen, ihre private Eismaschine gegen ein größeres Exemplar einzutauschen, um zumindest zu versuchen, damit den Lebensunterhalt zu verdienen.


Blitzkurs an der Gelato University. Zwei von ihnen haben erst vor wenigen Tagen den Eissalon Leones in der Lange Gasse eröffnet. Dass Lisa und Giorgio Leone eigentlich eine Agentur für Kommunikation und Design betreiben, merkt man gleich, wenn man das kleine Geschäft betritt. Von der Decke hängen Designlampen, deren Form sich in den silbernen Deckeln der Eisboxen in der Vitrine wiederfindet. An der Wand steht mit Holzbuchstaben geschrieben: „Wir machen traditionelles italienisches Eis aus frischen Zutaten, ohne künstliche Zusatzstoffe, ohne Wenn und Aber.“ Oder aber – um sich von dem Vegan-Trend abzuheben: „Die Milch macht das Eis.“ Aber keine Angst: Auch im Leones gibt es vegane Eissorten. Im Vordergrund stehen allerdings klassische Eissorten, wie Haselnuss, Pistazie, Vanille, Erdbeer oder Milcheis.

Eisfans waren die beiden schon immer, erzählt Lisa Leone. Irgendwann habe ein Bekannter erzählt, er wolle in Osteuropa ein Eissalonkonzept entwickeln und dafür einen Kurs an der Gelato University in Bologna besuchen. Sie wurden neugierig und taten es ihm gleich. Der Bekannte hat noch immer kein Eisgeschäft, sie haben aber schnell den Entschluss gefasst, ihr Wissen aus dem einwöchigen Kurs zu nutzen.

„Wir dachten uns, wir machen den Einsteigerkurs zum Spaß, er war aber sehr komplex. Man lernt sehr viel, vor allem mathematische Gleichungen, wie man Eis richtig abstimmt“, sagt sie. „Aber das war sehr auf die industrielle Produktion ausgerichtet. Wir haben dort sehr viel gelernt, wie wir es nicht machen wollen“, ergänzt er.

Giorgio Leone, der trotz italienischen Namens keine Wurzeln in Italien hat, hat also zu tüfteln begonnen und – auch das eint die neuen Eissalonbesitzer – sich auf die Suche nach den perfekten Zutaten gemacht. Denn Eis zu machen sei leicht, gutes Eis eben schon weniger, erklären die beiden, um dann gleich ein Loblied auf Regionalität, Bio und Slow Food zu singen und von der italienischen Familie zu schwärmen, die die Pistazien liefert. „Die sind so klein, dass sie nicht biozertifiziert sind, aber dort hebt noch die Oma am Telefon ab, wenn man anruft.“

Den Eis-Boom, der derzeit in Wien – und nicht nur dort – herrscht, erklären sie sich damit, dass sich zuvor in der Eisbranche eher wenig getan habe. „Natürlich war der Eis-Greissler der Vorreiter. Aber dass jetzt so viele aufmachen, liegt daran, dass viele vor zwei, drei Jahren eine ähnliche Idee hatten. So etwas stellt man nicht in ein paar Wochen auf die Beine“, sagt sie.

So kam heuer auch das Schelato in der Lerchenfelder Straße dazu, hinter dem ein Filmemacher und ein Modedesigner stehen und in dem ausgefallene Kreationen, wie Rote Rüben oder Gurke, verkauft werden. Auf Tradition, inklusive Sisi-Kitsch, setzt man hingegen bei Gefrorenem, das den Zusatz „Eis wie früher“ im Namen trägt und gleich zweimal auf der Währinger Straße eröffnet hat. Dort werden Sorten wie Sachertorte, Apfelstrudel oder Sissi-Mandel verkauft.

Eiszustellung mit dem Fahrrad soll es hingegen bald bei Vidoni geben, einem alten Eissalon in neuem Gewand auf der Landstraßer Hauptstraße. Gerald Kontriner, der kein Quereinsteiger aus der Kreativbranche ist, sondern vielmehr bereits mehrere Geschäfte mit Süßwaren und Delikatessen betreibt, verkauft kreative Sorten wie Earl Grey, Matcha oder Himbeer-Veilchen. „Wien ist die Welthauptstadt des Eises, es gibt nirgends eine so hohe Dichte, eine so hohe Qualität und ein so hohes Preis-Leistungs-Verhältnis wie hier. Das stammt noch aus der Monarchie“, sagt Kontriner.


Steinmetz und Eisverkäufer. Und auch auf einer der Eismeilen Wiens, der Rotenturmstraße, tut sich Neues. Der Eissalon Heiling aus dem Burgenland ist hier dazugestoßen und wirbt mit „handemade organic icecream“. Joachim Kitzwögerer, ein gelernter Steinmetz, der „nebenbei“ Häuser kauft, um Wohnungen zu sanieren und zu vermieten, hat im Zuge seines „Hobbys“ die Konditorei Heiling im burgenländischen Lockenhaus erworben und ist somit ins Eisgeschäft eingestiegen. Nach einem Standort in Meidling sind jener in der Innenstadt und auch einer in Oberpullendorf dazugekommen. Weitere Standorte sollen folgen. „Für mich ist nichts schlimmer, als stehen zu bleiben. Früher hatte ich ein ruhiges, schönes Leben, war drei Monate im Jahr in Kroatien. Jetzt verkaufe ich Eis, aber es macht mir Spaß.“ Teller waschen wird er nicht so bald müssen.

Eissalons

Leones: 8., Lange Gasse 78

Schelato: 8., Lerchenfelder Straße 34

Vidoni: 3., Landstraßer Hauptstr. 2c

Gefrorenes: 9., Währinger Straße 12 18., Währinger Straße 152

Heiling: 1., Rotenturmstraße 22/4
12., Meidlinger Hauptstraße 72 Oberpullendorf, Hauptstraße 3
Lockenhaus, Hauptstraße 21

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

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