Lieblingsziel Österreich: Der Exodus der deutschen Studenten

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Studie. In keinem OECD-Staat gehen so viele Studenten ins Ausland wie in Deutschland. Das Lieblingsziel ist Österreich. Aber relativ wenige schließen hier ihr Studium auch ab.

Wien/Berlin. Deutschland ist als ein Land bekannt, das viele Migranten anzieht. Dabei geht oft unter, dass es auch viele Deutsche in die Ferne zieht. In Österreich etwa stellen sie die größte Gruppe an Einwanderern. Die OECD bietet dazu nun einen Überblick: 3,4 Millionen Deutsche leben in einem anderen OECD-Land. Damit stellen sie die drittgrößte Auswanderergruppe in den Industriestaaten. Den Spitzenplatz aber hat Deutschland bei den Studenten: Aus keinem anderen entwickelten Land gehen so viele junge Menschen zum Studium ins Ausland wie aus Deutschland. Im Jahr 2012 waren es 140.000 – Tendenz stark steigend.

Und das beliebteste Zielland ist – erraten: Österreich. 31.000 Deutsche studierten hierzulande im Jahr 2012. Zieht man jene ab, die hier einen Wohnsitz haben oder (als Doppelstaatsbürger) schon hier geboren wurden, sind es immer noch über 25.000, gleichauf mit den Niederlanden. Schon deutlich abgeschlagen folgen Großbritannien (16.000) und die Schweiz (12.000). Was macht die Alpenrepublik für die deutschen Studenten so beliebt, abgesehen von der Muttersprache? Das hat der Pariser Thinktank nicht ausdrücklich untersucht. Aber seine Zahlen geben gute Anhaltspunkte.

Österreich als Notlösung

So wählen Deutsche im Ausland als Studienfach überproportional oft Jus, BWL, Medizin und geisteswissenschaftliche Materien wie Psychologie –Fächer, für die sie zuhause nur schwer einen Platz finden, zumal bei schlechtem Notenschnitt. Hingegen bleiben jene, die sich für technische und naturwissenschaftliche Fächer interessieren, tendenziell eher zuhause.

Noch aufschlussreicher ist der Vergleich bei den Absolventen: Hier liegt Österreich merkwürdigerweise nur mehr auf Platz Drei, fast ex aequo mit der Schweiz. In den Niederlanden und Großbritannien haben 2012 je etwa doppelt so viele deutsche Studenten ihr Studium abgeschlossen. Warum? Als einziger plausibler Grund erscheint: In Österreich brechen viele Deutsche ihr Studium ab. Studienautor Friedrich Poeschel bestätigt gegenüber der „Presse“ den Verdacht „anekdotisch“ – und liefert Erklärungen: Wer zum Studieren etwa nach England geht, den lockt das „hohe Prestige“ der dortigen Universitäten. Er hat die feste Absicht, dort seinen Abschluss zu machen. Bewusst gewählt werden offenbar auch die Niederlande, wo die Hürde einer Fremdsprache zu nehmen ist – wenn auch meist nur Englisch (an den meisten holländischen Unis wird in dieser Sprache gelehrt).

Wer in die Schweiz geht, ist bereit, finanzielle Hürden zu nehmen, wie hohe Lebenshaltungskosten und Studiengebühren. Österreich aber scheint oft nur die Notlösung zu sein, weil der Studienplatz der ersten Wahl versperrt ist. Sobald zuhause ein attraktiver Platz frei wird, vermutet Poeschel, „nutzen Studenten die Möglichkeit“ und brechen ihre Zelte in Österreich ab – was die niedrige Zahl an Absolventen erklärt. (gau)

>>> zur gesamten OECD-Studie

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

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