Bühnen-Visionär Günther Schneider-Siemssen, Meister des Lichts und der Projektionen, starb mit 88 Jahren.
„Das Schöne an ihm ist, dass er immer zeichnet.“ Also sprach Herbert von Karajan über Günther Schneider-Siemssen, der am Dienstag nach langem Leiden 88-jährig gestorben ist. Wenn Karajan, der Meisterdirigent, selbst inszenierte, um, wie er sagte, die musikalischen in szenische Bewegungen umzusetzen, war Schneider-Siemssen der Bühnenbildner. Dutzende Produktionen haben die beiden miteinander erarbeitet, wie Karajan es mit seiner Kurz-Charakterisierung beschrieben hat: Man besprach Libretto, Musik, Gehalt einer Oper – und der Bühnenbildner entwarf sofort Skizzen, entwickelte Ideen . . .
Dank dieser künstlerischen Produktivität haben wir von Schneider-Siemssens optischen Konzepten viele Dokumente; und die legendäre Osterfestspiel-Produktion des „Ring des Nibelungen“ ist dank einer üppig ausgestatteten Zeichen-Mappe nicht nur akustisch dokumentiert. Sie markierte den Höhepunkt der theatralischen Zusammenarbeit, wobei Schneider-Siemssen nebenher selbstverständlich auch mit anderen großen Dirigenten kooperierte. Das Bühnenbild für die von Otto Schenk inszenierte „Fidelio“-Produktion, die einst unter Leonard Bernstein Premiere feierte, gebraucht die Wiener Staatsoper bis heute. Der Zufall will es, dass heute, Mittwochabend, dieser „Fidelio“ gespielt wird; man widmet ihn Schneider-Siemssens Andenken. [ APA] (sin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)