Polizeigewalt gegen Afrikaner: Eine Chronologie

EINSATZTRAININGSAUSBILDUNG DER WIENER POLIZEI
EINSATZTRAININGSAUSBILDUNG DER WIENER POLIZEI(c) APA (Helmut Fohringer)
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Der wohl bekannteste Fall der Misshandlung von Afrikanern durch österreichische Beamte ist der des Marcus Omofuma. Es ist nicht der Einzige, bei dem Schwarze im Kontakt mit Polizei oder Justiz zu Tode kamen oder schwer verletzt wurden. Eine Chronologie.



•Ahmed F.:
Am 19. Februar 1999 stirbt Ahmed F. bei einer Drogenkontrolle in Wien. Laut Menschenrechtlern haben die Polizisten seinen Hals zugedrückt, um zu verhindern, dass er Drogenkugeln schluckt. Zeugen sprechen von 20-minütigem Verprügeln.

•Marcus Omofuma: Hohe Wellen schlägt der Fall des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma, der im Mai 1999 auf dem Flug nach Sofia in Polizeigewahrsam stirbt. Die drei den 25-Jährigen begleitenden Fremdenpolizisten hatten ihn laut Zeugen in der Maschine gefesselt und geknebelt. Das Gericht in Korneuburg stellt in seinem Urteil knapp drei Jahre später den Erstickungstod fest und verurteilt die Polizisten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen.

•Richard Ibekwe:
In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 2000 kommt der 26-jährige Richard Ibekwe in der Justizanstalt für Jugendliche in der Rödengasse zu Tode – einige Tage, nachdem er verhaftet und misshandelt wurde.

•Johnson Okpara:
Der 19-Jährige aus Nigeria springt während eines Verhörs aus einem Fenster im zweiten Stock der Jugendstrafanstalt Erdberg.

Cheibani Wague: Bei einer gewaltsamen Amtshandlung kommt am 15. Juli 2003 Cheibani Wague ums Leben. Zehn Einsatzkräfte und Polizisten sind beteiligt. Im Juli 2005 wird am Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen die beteiligten sechs Polizisten, drei Sanitäter und den Notarzt eröffnet. Ihnen wird zur Last gelegt, den Tod Wagues fahrlässig unter besonders gefährlichen Umständen herbeigeführt zu haben. Am 9. November 2005 wird in erster Instanz ein Großteil der Angeklagten freigesprochen. Ein Polizist und der Notarzt werden wegen fahrlässiger Tötung zu je sieben Monaten bedingter Haft verurteilt. Der Berufungssenat am OLG bestätigt am 15. März 2007 im Wesentlichen die Sprüche der ersten Instanz. Das Strafmaß für den schuldig gesprochenen Polizisten wird allerdings auf vier Monate herabgesetzt. Begründung: Der Polizist habe sich schulungskonform verhalten und könne nicht für die katastrophale Ausbildungssituation bei der österreichischen Polizei verantwortlich gemacht werden.

Edwin Ndupu: Im Alter von 38 Jahren stirbt Edwin Ndupu in der Justizanstalt Krems/Stein. Kurz vor seinem Tod wird er von etwa 15 Justizwachebeamten so lange verprügelt, dass er nicht mehr in der Lage ist aufzustehen. Anfang Oktober 2004 lädt Justizministerin Karin Miklautsch (später Gastinger) 11 der 15 am Einsatz beteiligten Justizbeamten ins Ministerium ein und spricht den Beamten ihre Verbundenheit und Anerkennung für den Einsatz, aber auch ihr Mitgefühl aus. Und 2000 Euro pro Person gibt es als Belohnung.

Yankuba Ceesay: Laut dem Amt für Jugend und Familie der Stadt Wien kommt Yankuba Ceesay am 11. März 2004 nach dem Grenzübertritt (via Tarvis) per Zug im Gemeindegebiet von Scheifling, Bezirk Murau, in Österreich an. Die erste Erfahrung mit einer kurzfristigen Schubhaft macht er im Polizei-Anhaltezentrum Leoben. Der am 2. März 1987 in Serekunda, Gambia, geborene Asylwerber stirbt am 4. Oktober 2005 in einer „Sicherungszelle“ des polizeilichen Haltezentrums in Linz. Sieben Tage zuvor ist er in einen Hungerstreik getreten, um gegen seine schlechten Haftbedingungen zu protestieren. Die Medienberichterstattung nach Yankuba Ceesays Tod erinnert an Marcus Omofuma (1999) und Cheibani Wague (2003). Angebliche Todesursache: Herzversagen. Und vor seinem Tod sei er „aggressiv“ gewesen.

Essa Touray: Laut Polizei springt Essa Touray am 23. Dezember 2006 bei einer polizeilichen Personenkontrolle in den Donaukanal. Zeugen berichten allerdings von einem Hergang, der von der Polizeiversion abweicht. Am 25. Jänner 2007 wird seine Leiche in der Donau unterhalb Wiens gefunden.


Die bekanntesten Fälle polizeilicher Gewalt gegen schwarze Menschen, bei denen kein Todesopfer zu beklagen war:

Bakary J.: Am 7. April 2006 um fünf Uhr früh wird Bakary J. aus Gambia von Beamten der Fremdenpolizei geweckt und zum Flughafen gefahren, kann allerdings nicht abgeschoben werden. Stunden später sitzt er wieder in Schubhaft. Dazwischen wird er von Polizisten der Spezialeinheit Wega in einer Lagerhalle, die für Trainingszwecke genutzt wird, schwer misshandelt.

•Mike B.:
Am 11. Februar 2009 wird Mike B., ein Lehrer afroamerikanischer Herkunft, in der U4 von Polizisten niedergeprügelt. Weil er schwarz ist und verwechselt wurde. Im Lorenz-Böhler-Krankenhaus stellen die Ärzte eine Nacken- und Lendenwirbelprellung sowie eine Stauchung der Handgelenke fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2009)

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