Nur zehn Cent für die Näherin

„Pimp my Shirt“.
„Pimp my Shirt“.Katharina Roßboth
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Eine 72-Stunden-Woche und fehlende Meinungsfreiheit sind für die Arbeiterinnen Realität. Beim EDUARD-Camp werden Lösungsansätze erarbeitet – wie zum Beispiel „Pimp my Shirt“.

Wien. Bevor wir unser T-Shirt wirklich in den Händen halten, muss es erst einen langen Weg hinter sich bringen. Stationen wie der Rohstoffanbau, das Erstellen des Garns, der Ablauf des Färbens und die Konfektion, bei der der Rohstoff endlich flächendeckend verarbeitet wird, werden durchlaufen – und unser T-Shirt legt dabei oft tausende Kilometer zurück.

Nicht immer herrschen menschenfreundliche Arbeitsbedingungen, vor allem bei der Konfektion, die häufig in Asien stattfindet, sind eine 72-Stunden-Woche mit keinem einzigen freien Tag und fehlende Meinungsfreiheit Alltag. Von einem fertigen T-Shirt kommen der Näherin letzten Endes nur ein Prozent des gesamten Erlöses zugute. Bei einem Zehn-Euro-T-Shirt wären das zehn Cent.

Gefährliche Schadstoffe

Beim Vorgang des Färbens werden gefährliche Schadstoffe freigesetzt, die beim Träger Hautirritationen auslösen können, aber vor allem für die Arbeiter gefährlich sind, da deren Schutzausrüstung oft minimal ist. Handschuhe sind meist nicht vorhanden, schildert Gabriele Homolka, Expertin bei „Die Umweltberatung“.

Die Menschen in den betroffenen Ländern haben oft keine anderen Arbeitsmöglichkeiten, da häufig wenige andere Arbeitsplätze verfügbar sind. 80 Prozent des Exports aus Bangladesch beispielsweise gehen auf die Textilindustrie zurück. Die Kleidungsindustrie bedeutet aber nicht nur schlechte Arbeitsbedingungen, sondern auch eine Umweltbelastung. „Das Problem ist, dass wir in den Industrieländern die schmutzige Industrie in andere Länder ausgelagert haben“, sagt Homolka.

Die Ursache liege definitiv bei den Konsumenten. „Diese wollen Kleidung, die billig ist, ohne die wirklichen Hintergründe wie z. B. die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu beleuchten“, sagt sie. Es gibt etliche Kampagnen und Gütesiegel, die an einer Verbesserung der Situation arbeiten. Die Rede ist von „Fairtrade“-Zeichen, die zertifizierten Anbau kennzeichnen sollen. Das GOTS-Siegel hält sich an strenge Kriterien, die eine nachhaltige Textilkette kennzeichnen sollen. Viele Unternehmen arbeiten nach einem Code of Conduct, der menschliche Arbeitsbedingungen sichern soll. „Doch auch hier entspricht die Realität nicht immer dem Papier“, sagt Homolka. „Wir sind dafür verantwortlich, dass sich etwas ändert.“

Eine Möglichkeit ist, auf Gütesiegel zu achten oder bei Labels einzukaufen, die nachhaltig produzieren, wie in Wien zum Beispiel „Göttin des Glücks“. Außerdem kann man weniger und hochwertigere Kleidung kaufen und sie länger tragen. Um auch alte Kleidung wieder attraktiv zu machen, kann man sie „pimpen“, sie mit Nieten, Pailletten oder Löchern verzieren. Erste Erfahrungen damit haben die Teilnehmer der „Pimp my Shirt“-Station gemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)

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