Deutsche Bundesanleihen brechen rekordverdächtig ein.
Wien/Frankfurt. Der Schuss ging nach hinten los. Eigentlich wollte EZB-Präsident Mario Draghi die Märkte ruhig halten: Der Leitzins für den Euroraum bleibt bei historisch niedrigen 0,05 Prozent, das umstrittene Ankaufprogramm für Staatsanleihen geht unbeirrt weiter. Aber ein Satz seiner Rede nach der EZB-Sitzung am Mittwoch genügte schon, um die nervösen Investoren in Panik zu versetzen: „Wir sollten uns an Phasen höherer Volatilität gewöhnen.“ Das verstanden viele als Hinweis, dass die Welt nicht auf Dauer mit der kalmierenden Unterstützung der Zentralbanken rechnen darf. So sehr hängt alles am Tropf der ultralockeren Geldpolitik, dass schon ein scheinbar selbstverständlicher Hinweis heftige Reaktionen auslöst – vor allem auf dem Rentenmarkt.
Die Kurse der zehnjährigen deutschen Bundesanleihen brachen auch noch am Donnerstag ein – das größte Zweitagesminus seit Einführung des Euro. Bereits im April gab es einen Ausverkauf. Im Gegenzug stieg die Rendite beide Male um knapp einen halben Prozentpunkt. Anfang April war sie nahezu null, aktuell liegt sie bei knapp einem Prozent. In anderen Eurostaaten sind die Ausschläge ähnlich, auch in Österreich.
Manche sehen darin die erste geplatzte Blase, andere ein Zeichen paradoxer Illiquidität durch die massiven EZB-Interventionen (siehe Interview links). Jedenfalls ging Draghis verbale Intervention „spektakulär daneben“, wie ein Analyst zu Bloomberg sagte. Steigen die Renditen, müssen Europas Regierungen für neue Schulden höhere Zinsen zahlen. Genau das will die EZB vermeiden – und muss deshalb womöglich noch mehr Anleihen als geplant aufkaufen, um die Kurse zu stützen und die Renditen zu drücken. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)