Der Ärger über Zeltstädte steigt. Innenministerin Mikl-Leitner hat jetzt den 19. Juni als letzte Frist gesetzt: Dann wird sie Kasernen öffnen lassen.
Traiskirchen/Wien. Bei hochsommerlichen Temperaturen schwitzten hunderte Asylwerber am gestrigen Fronleichnamstag bereits in und rund um die neu errichteten Zelte auf dem Gelände der Sicherheitsakademie in Traiskirchen südlich von Wien. Der Umzug aus dem direkt angrenzenden Erstaufnahmezentrum für Asylsuchende war nur Stunden davor im Eiltempo vonstattengegangen.
Noch am selben Tag, an dem am Mittwoch auf der Grünfläche der Sicherheitsakademie in Traiskirchen ein Lager mit 60 Zelten aufgestellt worden war, zogen rund 480 Flüchtlinge in diese ein. „Seit gestern Abend herrscht hier Vollbetrieb“, erklärte der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, am Donnerstag der „Presse“. Die Flüchtlinge wurden kurz nach 20.40 Uhr in die Zelte einquartiert. Zuvor war von Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) ein Bescheid erlassen worden, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Anzahl der im Lager Traiskirchen untergebrachten Flüchtlinge von mehr als 2000 um 800 reduziert werden muss.
Schon vor der Errichtung dieser Notunterkünfte in Traiskirchen waren 469 Flüchtlinge in Zelten untergebracht: 218 in Linz, 170 in Salzburg und 81 in Thalham im oberösterreichischen Attergau. Dazu kommen weitere Flüchtlinge in Polizeiturnsälen.
Die Aktion in Traiskirchen heizte die ohnehin heftig geführte Auseinandersetzung um die Bewältigung des Flüchtlingsandrangs zusätzlich an. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die wegen der Zelte in die Defensive geraten ist, verschärft jetzt die Gangart. Das betrifft die Bundesländer, die – mit Ausnahme von Wien, Niederösterreich und der Steiermark – bei der Zuteilung von Asylquartieren immer noch säumig sind.
400 weitere Plätze zugesagt
Die Innenministerin hat den Ländern bis zum 19. Juni eine letzte Frist gesetzt. Sollten diese die vereinbarten Quoten zur Unterbringung der Flüchtlinge nicht erfüllen, will sie per Verordnung die Öffnung der Kasernen veranlassen, kündigte sie in der „ZiB2“ an. Unmittelbar davor gibt es einen weiteren Asylgipfel mit den Ländern. Diese haben vorerst weitere 400 Plätze zugesagt.
In der SPÖ herrscht von Bundeskanzler Werner Faymann abwärts vor allem Verärgerung darüber, dass Asylwerber seit Mitte Mai auch in Zelten untergebracht werden. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) appellierte deswegen an die Innenministerin, sein Angebot zur Unterbringung von Flüchtlingen in Kasernen „endlich in Betracht zu ziehen“. Es geht dabei um die Standorte Horn (Niederösterreich), Tamsweg (Salzburg), Bleiburg (Kärnten) und Vomp (Tirol).
Die Innenministerin kündigte an, dass Flüchtlinge, bei denen es sich um sogenannte Dublin-Fälle handelt (diese waren zuerst in einem anderen EU-Staat), konsequent abgeschoben werden. Dadurch erhofft man sich im Innenministerium eine Reduktion um rund ein Viertel der Asylwerber. Das Land Niederösterreich sagt 200 Plätze zu und tritt für einen „nationalen Aktionsplan“ zur Bewältigung der Situation ein. (kb/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)