Brisante Aussagen des Kronzeugen in New York und wirre Warnungen aus der Karibik: Der Weltverband kommt nicht zur Ruhe. Vier Endrundenturniere stehen unter Korruptionsverdacht.
Wien/Kairo. Joseph Blatter ist noch lang nicht aus der Schusslinie. Mit den nun publik gewordenen Aussagen des Kronzeugen der US-Justiz, Chuck Blazer, wird die Korruption bei der Fifa erstmals gerichtlich belegt. „Beginnend um 2004 und bis 2011 verständigte ich mich mit anderen im Fifa-Exekutivkomitee, Bestechungen in Verbindung mit der Wahl Südafrikas als WM-Gastgeber 2010 zu akzeptieren“, wird Blazer in einem Vernehmungsprotokoll des Bezirksgerichts in Brooklyn zitiert. Die gute Nachricht aus Sicht von Blatter: In der 40 Seiten starken Blazer-Vernehmung spielt sein Name keine Rolle. Weiter unbestätigt sind auch Berichte von US-Medien, laut denen das FBI gegen den scheidenden Chef ermittelt.
Nervosität am Golf
Die Kernaussagen Blazers sind dennoch brisant. Sowohl beim WM-Vergabeprozess für 1998 (Frankreich) als auch für 2010 (Südafrika) flossen Millionenzahlungen zunächst wohl aus Marokko, später aus Südafrika. Namen nennt Blazer nicht, aber dass Ex-Fifa-Vizechef Jack Warner ein Hauptkomplize war, ist offensichtlich. Auch die Rolle von Generalsekretär Jérôme Valcke muss neu bewertet werden. Eine Zehn-Millionen-Dollar-Zahlung über ein Fifa-Konto bei möglicher Mitwisserschaft Valckes wird zwar nicht explizit genannt, doch Blazer – von 1997 bis 2013 im Exekutivkomitee – stufte offenbar auch diesen Deal als Bestechung ein.
Während der schwer kranke Blazer geständig ist, leugnet Warner noch jedes Vergehen und beschuldigt vehement Blatter und die Fifa, die er 2011 unter dem Druck von Korruptionsvorwürfen verlassen hat. Er behauptet, der Weltverband habe seine Independent Liberal Party auf Trinidad und Tobago im Wahlkampf vor fünf Jahren finanziell unterstützt. Auch Blatter hätte davon gewusst. „Nicht einmal der Tod wird die Lawine stoppen, die kommt“, prophezeite der 72-Jährige vor Anhängern auf Trinidad. Das Beweismaterial habe Warner an seine Anwälte übergeben, schrieb die Zeitung „Trinidad and Tobago Guardian“. Die USA fordern seine Auslieferung. Derzeit ist er in seiner Heimat auf Kaution (2,5 Millionen Dollar) frei.
Während eine neue Ausschreibung der WM-Turniere in Russland 2018 und Katar 2022 immer lauter gefordert wird, wächst in Doha die Nervosität. Vor allem den Verbänden von Australien und Großbritannien, deren Bewerbungen erfolglos waren, ist der Fußballzwerg am Golf ein Dorn im Auge. „Wenn ich WM-Organisator in Katar wäre, würde ich jetzt nicht mehr ruhig schlafen“, lästerte Greg Dyke, Vorsitzender des britischen Verbands. Sein australischer Amtskollege, Frank Lowy, orakelte, er habe Beweise, dass die Vergabe für 2022 „nicht sauber“ gewesen sei. Die Antwort ließ nicht lang auf sich warten. Katar habe nichts zu verbergen, und Dyke solle „sich lieber darauf konzentrieren, ein englisches Team aufzubauen, das fähig ist, die WM 2022 in Katar zu gewinnen“, retournierte der Chef des katarischen Verbands, Hamad Bin Khalifa Bin Ahmed Al-Thani.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)